"Das Missverständnis" am Volkstheater

Albert Camus' "Missverständnis" hat Anfang des Jahres am Schauspielhaus Graz hat große Erfolge gefeiert: Der österreichische Regisseur, Theaterleiter und Puppenspieler Nikolaus Habjan inszenierte das Stück als Figurentheater. Nun ist die Produktion für den "Nestroy" als beste Bundesländer-Aufführung nominiert und ab heute am Wiener Volkstheater zu sehen.

Szenenfoto, Seyneb Saleh und Nikolaus Habjan

Seyneb Saleh und Nikolaus Habjan

LUPI SPUMA/SCHAUSPIELHAUS GRAZ

Mittagsjournal, 23.10.2015

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Volkstheater

Ein vermögender Mann kehrt in seine Heimat zurück, ohne sich zu erkennen zu geben. Unter falschem Namen mietet er sich im verlassenen Gasthof ein, den seine Mutter und seine Schwester betreiben. Er will helfen, doch seine Familie, die er vor langer Zeit verlassen hat, erkennt ihn nicht mehr.

Ein Missverständnis nimmt seinen tödlichen Lauf: Denn der heimgekehrte Sohn weiß nicht, dass seine Mutter und seine Schwester ihre Existenz mit Raubmord an den fremden Besuchern bestreiten. Vielfach wurde Albert Camus' "Das Missverständnis" als Parabel auf den Zweiten Weltkrieg gesehen, als keine moralischen Grundsätze mehr galten. Aber schon Camus selbst habe im Vorwort zum Stück eine andere Botschaft formuliert, betont Regisseur Nikolaus Habjan.

Drei Schauspieler und drei Klappmaulpuppen stehen in diesem Stück gewissermaßen gemeinsam auf der Bühne: Nikolaus Habjan scheine die Gesichter direkt aus dem Text geschnitzt zu haben, hieß es in einer Kritik nach der Premiere am Schauspielhaus Graz. Mit seinem Figurentheater legt der Theatermacher Beziehungen und psychische Prozesse auf eine Weise frei, die ihm ohne Puppen verwehrt bleiben würde. Etwa wenn es darum geht, die bei Camus sehr bedeutsamen inneren Monologe darzustellen.

Nikolaus Habjan, Regisseur, Puppenspieler und Kunstpfeifer, konnte mit diesem Zugang schon mehrfach überzeugen. Am Wiener Schubert Theater, das er gemeinsam mit Simon Meusburger leitet, sorgte er etwa 2012 mit dem Stück "F. Zawrel - Erbbiologisch und sozial minderwertig" für Aufsehen - eine späte Würdigung für den inzwischen verstorbenen Friedrich Zawrel, einem Überlebenden NS-Kindereuthanasie am Wiener Spiegelgrund. Das Stück brachte Habjan den Nestroypreis als beste Off-Produktion ein. Für den "Nestroy" nominiert ist nun auch "Das Missverständnis". Dass das Stück nun, knapp vor der Nestroy-Gala am 2. November, am Wiener Volkstheater wieder aufgenommen wird, sei ein Glücksfall, sagt Nikolaus Habjan.

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