Die "Cafe Sonntag - Glosse" von Franz Schuh
Spiel
Ja, ja "… der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt." Das hat kein Goethe geschrieben, und zwar, weil es ein Schiller, nämlich Friedrich Schiller geschrieben hat.
8. April 2017, 21:58
Aber w a s lese ich da? Die Welt, lese ich, ist viel zu ernsthaft, aber der Ernst ist doch selten genug. Der Ernst, heißt es weiter, ist das Gegenteil von Spiel – nein, nein das kann nicht sein. In meinem Leben habe ich nie so ernste Menschen gesehen wie die Pensionisten im Märzpark, mit denen ich als Kind (damals frühreif, heute altersbedingt überreif) mit denen ich als Kind Tarock spielte.
Im Park standen Bänke und Tische, gespielt wurde - bei erträglichem Wetter - ab 9 Uhr früh und der Ernst, mit dem das geschah, übertraf jedes Universitätsseminar, zum Beispiel solche Seminare, in denen man - zum Scheitern verurteilt - versuchte, Platos Altgriechisch zu entziffern.
Im Park herrschte Demokratie, eine Leistungsgesellschaft – auch Kinder durften mitspielen, wenn sie Leistung brachten, also das Spiel beherrschten: Pagat, Mond und Sküs, das waren die hervorragenden Karten – der Sküs, der alles andere sticht wurde – wegen des Wienerischen – Gstieß genannt, und es gab das Wiener Idiom: I gib dir den Gstieß, Hochdeutsch:
Ich verabschiede Dich.
Aber der Ernst, der Ernst, mit dem gespielt wurde. Die Spieler waren, wenn nicht im Zustand der Trance, so doch in einer durch Meditation erreichten Weltferne, die die höchste Wachheit gegenüber dem Leben der Karten ermöglichte. Und da schreibt Friedrich, nein, nicht Schiller, sondern Friedrich Schlegel, der Romantiker, dass Ernst das Gegenteil von Spiel sei und dann, dann beschreibt dieser Schlegel selber, ohne es zu wissen (geschweige denn zu wollen) meine Tarockrunden von einst, denn er sagt: "Ernst ist Größe in Handlung."
Genau, Größe in Handlung – das ist das Spiel. Ich sage: 26. Mai 1999. Barcelona. Bayern München im Finale des Europacups, 90 Minuten sind gespielt, Manchester United ist mit einem Tor im Nachteil. Es folgt Nachspielzeit - in den letzten drei Minuten fallen zwei Tore, Manchester siegt 2:1. Das ist Größe in Handlung. Ob’s das beim Schachspiel auch gibt? Ernst ist jedenfalls dabei, Ernst Strouhal natürlich, der sich zum Spaß Robert Gernhardt anhören muss:
"Ich mach mir nichts aus Marschmusik, / Ich mach mir nichts aus Schach. / Die Marschmusik macht mir zuviel, / Das Schach zuwenig Krach."