Terrorfinanzierung durch Antikenhandel
Berichte über die Zerstörung archäologischer Ausgrabungsstätten durch die IS-Miliz, wie zuletzt die antike Oasenstadt Palmyra in Syrien, erschüttern immer wieder die Weltöffentlichkeit. Dahinter stecken nicht nur blinde Zerstörungswut und Propaganda, sondern auch geschäftliche Interessen: Denn der weltweite illegale Handel mit antiken Objekten trage erheblich zur Terrorfinanzierung bei, meint der deutsche Archäologe Michael Müller-Karpe, der auch die passive Haltung des Westens kritisiert.
8. April 2017, 21:58
Auf Einladung der "Österreichischen Gesellschaft für Außenpolitik und die Vereinten Nationen" war Müller-Karpe gestern in Wien zu Gast.
Morgenjournal, 29.10.2015
Medienwirksam inszeniert die IS-Miliz die schrittweise Zerstörung antiker Stätten wie Palmyra, die aus Sicht der Extremisten unislamisch sind oder einem vorislamisch-heidnischen Zeitalter entstammen. Doch dieser Feldzug gegen kulturelles Erbe sei nur die Spitze des Eisbergs, sagt Michael Müller-Karpe, Archäologe am Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz: "Die eigentliche Katastrophe findet im Verborgenen, ohne öffentlichem Aufschrei statt. Und das sind die Plünderungen, die systematische Zerstörung der archäologischen Stätten in Mesopotamien - im Grunde zu Versorgung eines internationalen Antikenmarktes mit Hehlerware."
Begehrte Ware aus Mesopotamien
Reliquien etwa aus Mesopotamien sind heiß begehrt, ihr Kaufwert liegt oft im zweistelligen Millionenbereich. Die Abnehmer sind private Sammler, Investoren, die antike Objekte als sicheres Kapital nutzen, vereinzelt aber auch noch Museen, die keine unangenehmen Fragen nach der genauen Herkunft der Antiken stellen.
"Das sind weltweit operierende Netzwerke - mit enger Verknüpfung mit dem Drogen-, Waffen- und Menschenhandel. Im Grunde ist das ein hochkriminelles Milieu." An diesem Markt seien auch Terrororganisationen wie der IS beteiligt, der eine perfide Marketingstrategie fahre, so der Archäologe Michael Müller-Karpe. Und tatsächlich verbreite sich bereits die Meinung, besser man kaufe die antiken Funde auf illegalem Wege, als sie der Zerstörung preiszugeben.
"Schuld ist auch die Politik"
"Diese Investoren müssen sich klarmachen, dass sie nicht nur Kulturzerstörung sponsern, sondern unter Umständen auch das Messer, mit dem nachher die Köpfe der westlichen Geiseln abgeschnitten werden." Doch Müller-Karpe, der sich als kompromissloser Kämpfer gegen Antikenhehlerei in Deutschland bereits einen Namen gemacht, sieht die Schuld auch bei der Politik: Immer noch könne man mit Antiken ohne klaren Herkunftsnachweis weltweit unbehelligt handeln. Das liege vor allem an mangelndem öffentlichen Bewusstsein: Es müsse klar sein, dass bei Raubgrabungen nicht nur Objekte verlorengingen, sondern auch grundlegende Informationen über die Anfänge der menschlichen Zivilisation.
"Alles, was wir über die Väter und Mütter unserer Zivilisation jemals hätten in Erfahrung bringen können, war in diesen archäologischen Stätten enthalten", so Müller-Karpe. Hunderttausende Tote, Millionen Flüchtlinge und die Vernichtung des kulturellen Erbes in Syrien und im Irak sind für den Archäologen nur unterschiedliche Facetten desselben Verbrechens.