Zu viel Zucker - eine Doku beleuchtet die Folgen
Kaum ein Thema wird so gerne und so kontrovers diskutiert wie die Ernährung. Zahllose Bücher, TV-Serien und Filme haben sich ihrer schon angenommen - und jetzt kommt wieder einer: Der australische Dokumentarfilm "Voll verzuckert" widmet sich dem Effekt von raffiniertem Zucker und Fructose auf den menschlichen Körper.
8. April 2017, 21:58

CONSTANTIN FILM
Mittagsjournal, 30.10.2015
Es ist einer dieser Selbstversuche, die spätestens seit "Super Size Me" weltbekannt sind: Medienwirksam sollen schädliche Auswirkungen populärer Ernährungsgewohnheiten am eigenen Leib getestet und an den Pranger gestellt werden. "Super Size Me" untersuchte die Machenschaften eines Fast-Food-Konzerns, der Australier Damon Gameau nimmt in "That Sugar Film" die Zuckerindustrie unter die Lupe.
Zuckerhaltiger Selbstversuch
60 Tage lang nimmt er täglich 40 Teelöffel Zucker zu sich - das entspricht etwas mehr als dem Zuckerkonsum eines durchschnittlichen Teenagers. Allerdings nicht pur oder in Süßigkeiten, sondern ausschließlich versteckt in Lebensmitteln, die gemeinhin als gesund propagiert werden - von den Frühstücksflocken über Smoothies bis zum fettarmen Joghurt. Die Anzahl der zugeführten Kalorien blieb während dieser Zeit gleich wie vor dem Experiment, lediglich die Zusammensetzung seiner Nahrung änderte sich. Begleitet wurde seine Diät von Medizinern und Ernährungsberatern.
Süßes Experiment mit bitteren Folgen
Diverse Recherchereisen führen ihn währenddessen zu den australischen Aborigines und quer durch die USA. Er befragt Wissenschaftler, Konzernchefs und Betroffene, während er seine tägliche, versteckte Zuckerration berechnete und zu sich nahm. Und die hatte schon nach wenigen Wochen merkliche Folgen auf Konzentration, Fitness und allgemeines Wohlbefinden, wie er eindrucksvoll demonstrierte.
Die Machenschaften der Konzerne
Während Gesundheitspolitik und Lebensmittelindustrie seit Jahrzehnten dem Fett den Kampf ansagen, scheint die Zuckerindustrie nach wie vor befreit von Argwohn und Misstrauen riesige Gewinne einzufahren, so Gameaus These. Doch 50 Milliarden Dollar Umsatz im Jahr hinterlassen ihre Spuren, denen der Dokumentarfilmer nachzugehen trachtet.
Zum Beispiel im ländlichen Kentucky, wo ein Zahnarzt seit Jahren mit seinem zur mobilen Praxis umgebauten Wohnwagen unterwegs ist, um der ärmeren Bevölkerung Behandlungen zu ermöglichen. In Kentucky erzielt der Großkonzern Pepsi gewaltigen Profit, und gewaltig sind auch die Spuren, die seine zuckerhaltigen Getränke in den Mundhöhlen der Bevölkerung hinterlassen. Teenager, denen alle Zähne gezogen werden müssen, sind für den Zahnarzt kein seltener Anblick.
Wer arm ist, konsumiert am meisten Zucker
Hinter dem Streifen steckt Gameaus bittere Kritik am enormen Einfluss der Lebensmittelindustrie auf Wissenschaft und Politik. Von Coca Cola oder anderen Konzernen gesponserte Studien wollen die Harmlosigkeit zuckerhaltiger Nahrungsmittel demonstrieren. Und der Zusammenhang zwischen Einkommen und gesunder oder eben ungesunder, zuckerhaltiger Ernährung wird bei Gameaus zahlreichen Begegnungen immer deutlicher: Die größten Gesundheitsschäden, von Fettleibigkeit über Karies und Leberschäden bis zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben stets die unteren 10.000 zu tragen.
Komödiantisch, schrill und massenwirksam
Komödiantisch, wenn auch etwas zu schrill, klamaukhaft und moralisierend begibt sich Damon Gameau in sein Experiment. Experten sprechen von den Etiketten seiner Saftflaschen oder den Monitoren des EKGs herunter, Animationen führen ihn ins Innere seines Körpers, um den Verdauungsweg des Zuckers nachzuverfolgen. Er scheut keine Mühen, um sein Anliegen möglichst massentauglich auf die Leinwand zu bringen, lässt Zauberkünstler, Gaukler und Comicfiguren auftreten und kreiert sogar einen eigenen Zuckersong samt Choreografie.
Gameaus Ansinnen ist fraglos ehrenwert. Der Dokumentarfilm hat angesichts seiner Machart aber ähnliche Nebenwirkungen wie sein Studienobjekt: einen unangenehm klebrigen Nachgeschmack und rasche Ermüdung. Allerdings: Wenn es so gelingt, die breite Masse zum Nachdenken zu bewegen, sei ihm das verziehen.