Graphic Novel zu Demokratie
In den letzten Jahren hat sich die Graphic Novel als ernsthaftes literarisches Genre etabliert. Reportagen aus Krisenregionen und die Lebensgeschichte Kafkas fanden sich genauso in gezeichneter Form wieder wie etwa ein Thomas-Bernhard-Roman.
8. April 2017, 21:58
Einen Höhepunkt stellte vor fünf Jahren das Erscheinen von "Logicomix" dar, in dem die Geschichte der Logik erzählt wurde und Größen wie Bertrand Russell und Kurt Gödel auftraten. Jetzt hat der damals federführende Alecos Papadatos ein neues Buch herausgebracht. In "Demokratie" blickt der griechische Autor und Zeichner in das antike Athen, als die einfachen Bürger erstmals politische Macht einforderten.
Mittagsjournal, 2.11.2015
Einer der erstaunlichen Momente
"Demokratie" spielt um 500 vor Christus in Athen, also noch vor der Zeit der großen Staatsmänner und Denker Perikles, Sokrates oder Platon, die der Stadt eine goldene Ära bescherten. Es waren Jahrzehnte des politischen Gerangels: Tyrannen kamen und wurden gestürzt, Adelsclans kämpften um Einfluss. Die mangelnde Einheit schwächte den kleinen Stadtstaat, daneben wuchs die Unzufriedenheit des einfachen Volks.
Alecos Papadatos: "Es gab damals keinen Messias, der Athen die Demokratie gebracht hat. Es war einfach einer dieser erstaunlichen Momente in der Geschichte, in der die Bedürfnisse der einfachen Bürger und ein neues Denken in der Elite zusammenkamen. Da entstand aus einer seltenen Chemie heraus, der Wunsch, ein ganz neues System auszuprobieren. Und genau diesen Zeitpunkt wollten wir in unserer Geschichte einfangen. Als sich die Elite und die große Masse zusammentaten, um etwas Gemeinsames zu schaffen."
"Plötzlich war die Geschichte aktuell"
Die damaligen Probleme, die schließlich zur Entwicklung eines demokratischen Systems führten, hören sich verdächtig bekannt an: Korruption und Intrigen innerhalb der politischen Führung frustrierten die einfachen Bürger, dazu kam die Angst vor der zunehmenden Einflussnahme von außen. Was damals die Spartaner waren, die in die Geschicke Athens eingriffen, sind heute Troika beziehungsweise Quadriga. Alecos Papadatos: "Es war witzig - während wir an unserem Buch arbeiteten, lief die aktuelle politische Entwicklung in so vielen Punkten fast parallel zu unserer Erzählung ab. Wir konnten gar nicht glauben, wie aktuell unsere antike Geschichte plötzlich war. Das hat wahrscheinlich den Grund, dass bestimmte institutionelle Probleme in diesem Teil der Welt eine lange Tradition haben."
Ein Vasenmaler deckt auf
Alecos Papadatos hat die Geschichte von "Demokratie" gemeinsam mit dem griechischen Kulturwissenschaftler Abraham Kawa konzipiert. Ins Zentrum haben sie einen fiktiven Vasenmaler gestellt, der mit seinen Bildern die Machenschaften der Obrigkeit aufdeckt. Umringt ist dieser Leander allerdings von historischen Gestalten, und die Erzählung folgt den tatsächlichen historischen Ereignissen. So endet "Demokratie" am Morgen vor der Schlacht von Marathon. Durch ihren Sieg konnten die Athener damals die Gefahr einer persischen Fremdherrschaft abschütteln. Die Gegenwart sieht da viel weniger rosig aus, so Alecos Papadatos: "Wenn wir diesen Winter überstehen, grenzt das an ein Wunder, ich übertreibe jetzt natürlich, aber der kommende Winter wird wirklich hart."
Demokratie ist kein Selbstläufer
"Demokratie" bietet nicht nur die wechselhafte Entstehungsgeschichte eines politischen Systems, sondern zeigt auch, dass die Demokratie kein Selbstläufer ist, sondern einer fortwährenden Anstrengung bedarf. Viele griechische Leser hätten seine Graphic Novel deshalb auch als Lehrbuch bezeichnet, erzählt Alecos Papadatos dann auch am Schluss des Gesprächs mit einem breiten ironischen Grinsen.
Service
Alecos Papadatos, Abraham Kawa, Annie Di Donna u.a., "Demokratie - Eine Geschichte vom Mut, die Welt zu verändern", Atrium Verlag
Alecos Papadatos