"99 Homes" - Film beleuchtet Finanzkrise

Der Zusammenbruch des US-amerikanischen Immobilienmarktes war unter anderem ein Auslöser für die Finanzkrise, die die Welt seit 2007 beschäftigt. Durch welche Spekulationen es dazu kam und wer die Profiteure und die Geschädigten waren, das ist der Hintergrund, auf dem der Film "99 Homes" aufbaut.

Regisseur Ramin Bahrani schildert anhand einer Familie in Florida, wie leicht man in die Fänge von Immobilienspekulanten gerät, wie schnell man aber auch selbst einer werden kann. "99 Homes" läuft u.a. heute Abend bei der Viennale und morgen früh als "Ö1-Frühstücksfilm".

Szenenbild "99 homes"

Viennale

Kulturjournal, 2.11.2015

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Viennale - 99 Homes

Ein unangenehmer Besuch steht vor der Tür: der Mann mit dem Räumungsbescheid. Der seit Kurzem arbeitslose Bauarbeiter Dennis Nash in Orlando Florida hat seine Raten nicht bezahlt und was das heißt, bringt der Immobilienmakler auf den Punkt: "Dieses Haus gehört der Bank." Ein Schicksal wie es vielen Durchschnittsamerikanern im Zuge der Finanz- und Immobilienkrise seit 2008 ereilt hat: Sie haben ihr Haus verloren.

Korrupt & vom Staat mitgetragen

Was das konkret heißt, und welche Konsequenzen sich daraus ergeben, das rahmt Regisseur Ramin Bahrani in ein realistisches Szenario mit klarer Rollenverteilung zu Beginn: Einerseits der ehrliche Arbeiter, der von übergeordneten Ereignissen überrollt wird, andererseits der skrupellose Immobilienhai, der von der Not mittellos gewordener Mitbürger profitiert. Insgesamt ein korruptes und vom Staat mitgetragenes System, das längst eine globale Dimension erreicht habe, so Bahranis Befund.

Doch wie dieses System entsteht, wie sich die Korruption wie eine Krake über ahnungslose Existenzen legt, welche subtilen menschlichen Kanäle und Irrwege sie durchläuft und welche Verführungen auf diesen Wegen lauern, das macht Bahrani zum eigentlichen Thema seines Films. Denn ausgerechnet der Immobilienmakler Rick Carver macht Bauarbeiter Dennis ein überraschendes Jobangebot.

Moralische Gratwanderung

Schon bald wird Dennis selbst zum Rausschmeißer in Carvers Auftrag, verdient schmutziges Geld, findet Gefallen an einem glamourösen Lebensstil. Diese moralische Gratwanderung wird zum Rückgrat des Films, Täter und Opferperspektiven verschwimmen zusehends. Will man es Dennis wirklich verübeln, dass er - arbeitslos und am Rande der Obdachlosigkeit - Verantwortung für seinen kleinen Sohn und seine Mutter übernimmt, auch wenn er dafür Fragwürdiges tut?

Regisseur Bahrani hält Dennis Gewissenkonflikt in der Schwebe, vermeidet eindeutige Schuldzuweisungen und voreilige Urteile. Überhaupt sieht Bahrani die eigentlichen Ursachen in einem politischen Versagen: "Vor allem nach 1979 haben sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Immobilien in den USA durch eine enorme Deregulierung dramatisch verändert. Da haben die Lobbyisten von Banken und großen Immobilienfirmen ganze Arbeit geleistet. Davon hat vor allem eine kleine, wohlhabende Schicht profitiert. Das ganze übrigens unabhängig davon ob Demokraten oder Republikaner an der Macht waren."

"Amerika rettet die Gewinner"

Kein Pardon hat Regisseur Bahrani mit den Profiteuren, nicht nur den Mitläufern, Polizisten, die die Drecksarbeit machen, wenn sie Menschen aus ihren Häusern werfen, und dabei noch stolz sind, sich auf Gesetze zu berufen. Und quasi wie ein Gesetz sieht auch der Immobilienhai sein persönliches Credo. Amerika baue darauf auf, nicht Verlierer, sondern Gewinner zu retten.

Doch mit dem Gewinnen ist es so eine Sache. Auch der Film "99 Homes" kommt am Ende zur entscheidenden Frage: Kann man im falschen Leben wirklich ein richtiges führen? Zumindest Bauarbeiter Dennis kann es letztlich nicht. Und so ist auch Regisseur Bahrani zuversichtlich: Wie Dennis hätten viele Menschen dieses System einfach satt.

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