Prosa von László Garaczi
Metaxa
Der ungarische Autor László Garaczi erweist sich auch dieses Mal wieder als Meister des vagabundierenden Blicks, als genauer Regisseur jener Bewusstseinsströme, die seine Figuren konstituieren. 130 Buchseiten ohne einen einzigen Punkt - ja, das ist möglich, wie sein neuer Roman "Metaxa" beweist.
8. April 2017, 21:58

ORF
"Ein Sprachkunstwerk, in das man bei der Lektüre stürzt"
Drei Kapitel hat der Roman, überschrieben mit den Pronomen "Ich", "Du" und "Er", und einen kurzen Nachsatz mit dem Titel "X". Innerhalb dieser vier Blöcke gibt es als Gliederung Absätze und Beistriche. Erstaunlich, wie leicht und schnell man sich beim Lesen durch diese endlosen Satzgefüge bewegt; die Zugkraft der Satz-Mäander ist enorm, und stolpert man einmal, so wird man doch gleich wieder mitgerissen vom Satzstrom.
Das Ich, dessen Sätze das erste Romankapitel bilden, ist Musiker. Er spielt die Bratsche in einem Quartett, die Musik ist seine Passion, aber sie ist alles andere als das reine Glück. In Budapest lebte er mit seiner Freundin Gigi, und bei einer Tournee in Amerika tritt Marina so intensiv in sein Leben, dass er Gigi nicht einmal untreu werden kann, nein, er vergisst sie einfach, es gibt nichts mehr außer dieser Gegenwart mit Marina, die das zweite Romankapitel trägt, in dem der Musiker sich selbst mit Du anspricht. Aber gerade in der Desillusionierung romantischer Liebesträume läuft der Roman zu seiner Hochform auf. Schon gegen Ende des ersten Kapitels weiß der Ich-Erzähler:
Service
László Garaczi, "Metaxa", Prosa, aus dem Ungarischen von György Buda, 136 Seiten, gebunden, Droschl Verlag
Zitat
Sex tötet die Liebe, der erste Akt macht Schluss mit den Liebesträumen, der erste Akt ist zugleich auch der letzte, Wochen, Monate und Jahre verstreichen, Faulheit und Überdruss, ineinander verkeilt wie Rote Rüben und Schweineschwanz in Aspik, das Endergebnis springt einem am ehesten im Urlaub ins Auge, das paarige Delirium ruht auf den gestreiften Leinen der Liegestühle, der Mann auf den Ruinen seiner Männlichkeit, ins Nichts glotzend, braun und verkrustet, er raucht eine Zigarette nach der anderen, die Frau ermattet auf den Ruinen ihrer Weiblichkeit, wie ein Vogel, der sein Nest aus den eigenen Federn erbaut hat, sie verstecken sich hinter Sonnenbrillen, Sonnenmilch, Rauch und Fettpolstern, du glaubst nicht, dass das eintreten kann, dass sich das auch mit dir ereignen kann, du wähnst dich geschützt, du wirst der Pleite entkommen, dann findest du dich auf einmal dort auf dem blauen und gelben Meeresstrand, und du urlaubst …
Der Roman ist voller ironischer Brechungen und Perspektiven, die Kraft der Ironie ist der stärkste Gegenpol zum Scheitern; und der unerbittlich vorwärts drängende Rhythmus der Sprache. Der Übersetzer György Buda hat da Großartiges geleistet und diese Ausnahme-Prosa überzeugend auf Deutsch instrumentiert. Eingelagert in den furiosen Duktus des Ganzen sind Einzelszenen, die man nicht mehr loswird. Was für ein Glück, dass der Droschl-Verlag seinem Autor László Garaczi die Treue hält und dieser Roman - neun Jahre nach seinem Erscheinen in Ungarn - nun auf Deutsch vorliegt!