Glosse "Scharf geschossen"
Heute wurde das Programm der Salzburger Festspiele 2016 vorgestellt. Wie schätzt jemand, der das Festival seit Jahrzehnten begleitet, das Programm ein? Gernot Zimmermann ist als Musik- und Theaterexperte immer wieder in Salzburg und berichtet für Ö1. In der neuen Glosse vermittelt er auf sehr persönliche Weise seine Sicht der Dinge.
26. April 2017, 12:23

ORF/JOSEPH SCHIMMER
2011, unter Alexander Pereira, wurde der Regisseur und Schauspieler Sven-Eric Bechtholf Schauspielchef der Salzburger Festspiele. Nach Pereiras vorzeitigem Wechsel an die Mailänder Scala ist Bechtholf für das künstlerische Gesamtprogramm 2015 und 2016 verantwortlich.
Kulturjournal, 5.11.2015
Service
Die Glosse
Vor scharfen Schüssen sollte man sich eigentlich hüten, wenn es um die derzeitigen Salzburger Festspiele geht. Das hat der bekannte Opernkritiker der Tageszeitung "Die Welt" Manuel Burg zu spüren bekommen, als er im vergangenen Sommer die Festspiele von Intendant Sven-Eric Bechtolf in Grund und Boden verriss. Sein Forum war damals die österreichische Wochenzeitung "profil". In diesem antwortete damals dann das jetzige Direktorium der Festspiele: Bechtolf und Präsidentin Helga Rabl- Stadler. Im ironischen, aber doch spürbar beleidigten Ton, der Untergriffe nicht scheute, etwa dass Brug in Tracht gehüllt gerne dem Festspielwein bei Empfängen zugesprochen habe.
Vorabkritik ist auch in dieser Glosse nicht beabsichtigt. Zumal das Programm für 2016 durchaus Spannendes zu bieten hat. Von der selten gespielten Richard-Strauss-Oper "Die Liebe der Danae" bis hin zu Shakespeares Schauspiel "Der Sturm". Allerdings: Kulinarik und Altbewährtes durchwehen das Programm, weniger ein innovativer oder dramaturgischer Geist.
Da ist zum einen die Mozart-Da-Ponte-Trilogie, inszeniert von Festspielchef Bechtolf selbst, deren Teile einzeln schon zu sehen waren, und die wohl niemanden vom Stockerl gerissen hat. Was der vorhergehenden, viel interessanteren Mozart-Trilogie unter Claus Guth verwehrt blieb, Bechtolf macht es möglich. Ein mäßiger Opernregisseur von Pereiras und Holenders Gnaden - denn Bechtolf ist eigentlich Schauspieler - gibt sich selbst den Auftrag dazu. Dass er mit einer positiven Kritik seines "Figaro" in "Downtown Abbey"-Manier in der "New York Times" im vergangenen Sommer allerorten wedelte, während alle anderen Kritiken und ihre Argumentationen für ihn nicht einmal erwähnenswert waren, sagt mehr über Bechtolf aus als über die jeweiligen Kritiken.
Auch fand er es im vergangenen Sommer kaum nötig, wichtigen Medien dieses Landes Interviews zu gewähren. Das kann er sich als hochsensibler, hochnarzisstischer Künstler durchaus leisten, aber nicht als Intendant des ersten Festivals dieses Landes, falls es dieses bleiben will. Die neue Intendantin der Bregenzer Festspiele, Elisabeth Sobotka, hat diesen ersten Rang im vergangenen Sommer kräftig in Frage stellen können.
Im vergangenen Jahr lebten die Salzburger Festspiele noch vom üppigen Erbe aus der Pereira-Zeit: "Trovatore", "Rosenkavalier" und die beiden Cecilia-Bartoli-Opern waren Bechtolfs Vorgänger zu verdanken.
Ein Intendant der Salzburger Festspiele hat sich kritischen Fragen der Journalisten zu stellen, sonst hat er seine Funktion verfehlt. Wenn etwa eine aufgeblasene "Dreigroschenoper" in Musicalmanier gegeben wird, die seine Schöpfer Brecht/Weill und ihre Anliegen in allem, was wichtig ist, verrät, dann darf man doch wohl fragen warum. Ein Intendant , der sich so viele Regie-Aufträge erteilt, dass er nicht mehr dazu kommt, seine Intendantenfunktion auszuüben, für die er kaiserlich aus öffentlichen Geldern entlohnt wird, ist fragwürdig geworden. Seit Hartmanns Zeiten an der Burg ist man da in Österreich übrigens recht empfindlich.
Nun gut, heuer kommt noch was dazu: Bechtolf hat sich für den kommenden Festspielsommer als Hauptdarsteller in Bernhards "Der Ignorant und der Wahnsinnige" engagiert. Und hat heute bei der Pressekonferenz des Programms in Salzburg gleich eine Probe seines Könnens abgegeben. Geht´s noch? möchte man schnoddrig fragen, oder: Gut für den Schauspieler. Schlecht für die Salzburger Festspiele.