"Don Giovanni" an der Wiener Volksoper

Der Regisseur, Maler und Bühnenbildner Achim Freyer hat an der Wiener Volksoper Mozarts Oper "Don Giovanni" inszeniert. Die Premiere hat am Samstag stattgefunden. Sich selbst nie wiederholen ist das Credo des 81-jährigen ehemaligen Brecht-Schülers. Er geht an jede Arbeit komplett neu heran, und das obwohl er den "Don Giovanni" bereits zum dritten Mal inszeniert hat, zuletzt vor fast 20 Jahren, in einem Notzelt neben dem gerade abgebrannten Teatro Fenice in Venedig.

Szenenbild "Don Giovanni"

Barbara Pálffy/Volksoper Wien

Kulturjournal, 16.11.2015

Im Freyerschen Bildkosmos

"Musik für die Augen" wurden seine Bühnenbilder einmal genannt - er selbst "Raumklangbildzauberer". Die Ouvertüre lässt einem Zeit, den Freyerschen Bildkosmos in all seinen Details aufzunehmen. Überdimensioniert und ausladend sind die schwarz-weißen Kostüme und Requisiten aus Styropor. Die Figuren erinnern mit ihrer verwischten Schminke, den Blutflecken und grellen Perücken an Batmans Joker; ein Leuchtturm vermittelt maritime Atmosphäre, und ab und zu geht der Tod mit Schaufel und blumenbekränztem Zylinder durchs Bild. Hinter all der opulenten Schäbigkeit lässt sich Freyers Regiekonzept erahnen.

"Ich hab mir viel vorgenommen, weil diesmal die Inszenierung sehr parallel läuft zu Mozart. Man trifft Don Giovanni, so wie er in der Oper ist nicht auf der Straße. Er ist nicht so ein Dandy in Lederjeans und rotem Pulli - das ist uninteressant." Don Giovanni ist bei Achim Freyer nicht mehr der Verführer, sondern die Verführung schlechthin. Eine schöpferische und zerstörerische Kraft wie die Sonne, die auf der Bühnenrückwand aufgeht und langsam sinkt - und eine Brandspur hinterlässt.

Wohin kann Freiheit führen?

Viva la libertá - es lebe die Freiheit, und wie die Gesellschaft mit der Freiheit umgeht - ist Thema seiner Inszenierung, die mit einer drastischen Schlusspointe überrascht. Wie etwa Künstler in totalitären Regimen überleben, aber auch wohin Freiheit in kapitalistischen Systemen führen kann - nämlich zu ungebremster Gier, zu Überfluss und Vernichtung. "Wir haben riesige Schäden in unserer Welt errichtet, dass wir als Gesamtgruppe Menschheit eine große Naturkatastrophen auslösen können, das ist unvorstellbar. Wir sind so gottähnlich begabt Erfindungen zu machen, die unsere Arme verlängern, unsere Körper ausdehnen."

Die Mischfassung aus Italienisch und Deutsch für die sich Freyer entschieden hat, ist nicht immer optimal, soll aber zum besseren Verständnis beitragen. Josef Wagner, der schon als Leporello Erfahrung hat, ist als Don Giovanni zu hören, Kristiane Kaiser als Donna Anna, Caroline Melzer als Donna Elvira und Anita Götz als Zerlina.

Achim Freyer wird im März Claude Debussys "Pelleas et Melisande" in Linz inszenieren, die Handke Uraufführung von Claus Peymann, die er im Februar im Burgtheater ausstatten wollte, muss er aus Zeitgründen absagen. "Wir sind beide sehr traurig, aber es ging nicht anders - die Oper ist immer schneller, die plant schon Jahre im Voraus, was sie wollen. Darum mach ich kaum noch Schauspieltheater, weil die Oper mich in aller Welt immer verführt mit wunderbaren Werken."
Auch Achim Freyer also ein Opfer der Verführung.

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Volksoper Wien - Don Giovanni

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