Abel Ferraras "Pasolini"-Film

Am 2. November 1975 wurde der italienische Filmemacher und Intellektuelle Pier Paolo Pasolini ermordet am Strand von Ostia gefunden. Die Hintergründe der Ermordung sind bis heute nicht abschließend aufgeklärt. Pasolinis letzten Tag hat der US-amerikanische Regisseur Abel Ferrara zum Stoff eines Spielfilms gemacht.

Ferrara ist bekannt für Filme wie "Bad Lieutenant" oder zuletzt "Welcome to New York". Für seinen Pasolini-Film konnte er zahlreiche Wegbegleiter des italienischen Regisseurs gewinnen, etwa Schauspieler Ninetto Davoli. Ab dieser Woche ist Abel Ferraras "Pasolini" im Kino zu sehen.

Morgenjournal, 17.11.2015

Ob Sex politisch sei, wird er im Interview gefragt, alles sei Politik, antwortet Pasolini. Im Hintergrund sind Originalszenen aus "Salò" zu sehen. Die fragilen wie skandalträchtigen Oberflächen aus Pasolinis letztem Film, hinter denen sich eine schonungslose Gesellschaftskritik verbirgt. Später dann Soulmusik und Willem Defoe als Pasolini hinter dem Steuer seines Alfa Romeo, in dessen Lackierung sich die Nachtlichter Roms spiegeln, während am Straßenstrand die jungen Stricher Parade stehen: Der linke Intellektuelle, von Abel Ferrara verpackt in werbecliptaugliche Hochglanzästhetik.

Ferraras "Pasolini" ist ein Film der großen Kontraste und Widersprüche. Im Interview erzählt der US-Regisseur, dass er Pasolini schon immer verehrt habe. Seine Recherchen hätten dann aber alle Erwartungen an den italienischen Künstler übertroffen: "Pasolini starb für seine Art zu leben, für seine Arbeit. Er war ein universeller, ein zeitloser Künstler, denn er sprach die Wahrheit aus, und die ist zeitlos gültig."

Es ist ein wilder Bilderfluss, mit dem Ferrara sein Publikum konfrontiert. Ein Film, der zugleich auch ein Vorwissen über den Künstler, dessen Positionen und Arbeiten voraussetzt. Ferrara schichtet Originalzitate, Briefe und den Alltag Pasolinis in kaleidoskopischen Szenen. Ergänzt diese dann durch opulente Sequenzen, in denen er etwa Pasolinis unvollendetes Drehbuch zu "Porno-Teo-Kolossal" verfilmt.

Berührende Annäherung & spekulatives Ärgernis

Es sind fast fellinesque Szenen, Sexorgien, in denen Ferrara aber von den Oberflächen und den makellosen Körpern seiner Darsteller nie wegkommt. Von Pasolini bleibt da kaum etwas übrig. Als kleinen Trost hat Ferrara aber zahlreiche Wegbegleiter des italienischen Regisseurs, etwa dessen Schauspielermusen Ninetto Davoli oder Adriana Asti für sein Projekt gewinnen können.

Spekulativ und berechnend inszeniert Ferrara dann Pasolinis Sexualität und sogar dessen Ermordung; berührend hingegen jene Szenen im Kreis der Familie - und großartig Willem Defoe als Pasolini, die Idealbesetzung. Dabei irritiert aber immer wieder der abrupte Wechsel zwischen verschiedenen Sprachen - hat Ferrara doch mit italienischen und englischen Schauspielern gearbeitet.

"Aber", so der 64-jährige Regisseur, "nicht die Sprachen sind wichtig, sondern die Ideen!" Die Ideen sind wichtig, und spätestens da wird Ferraras Film aber zum Ärgernis: wenn er die Ideen und Visionen Pasolinis, die unvollendet geblieben sind, zu deuten und weiterzudenken versucht. Denn: Sich Pasolini in seinen letzten Stunden vorzustellen ist eine Sache, seine Vorstellungen auf die Leinwand zu bringen, eine andere.

Service

Ein Gespräch mit Regisseur Abel Ferrara hören sie am Donnerstag, den 19.11. (16.40 Uhr) im Ö1 Filmmagazin "Synchron".