Vija Celmins in der Wiener Secession
Eines der Highlights der diesjährigen Vienna Art Week ist die Ausstellung der Künstlerin Vija Celmins. Die aus Lettland stammende und in New York lebende 77-Jährige gilt als eine der wichtigsten lebenden nordamerikanischen Künstlerinnen überhaupt. Ab Donnerstag sind 70 ihrer Arbeiten in der Wiener Secession zu sehen.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 19.11.2015
Komprimierte Zeit
Vija Celmins verzichtet auf das amerikanische Format und sein überwältigendes Sehangebot. Darauf ist es wohl zurückzuführen, dass ihre kleinformatigen Zeichnungen und Druckgrafiken meist nur vereinzelt in europäische Ausstellungen gelangt sind. Was sie zeigt, sind Ausschnitte von endlosen Horizonten, Himmeln, Wüsten oder Ozeanen, von denen keinerlei Botschaft, dafür aber ein unspektakulärer Reiz ausgeht. Vija Celmins scheint die Zeit in ihren Bildern zu komprimieren, indem sie zahllose Stunden in ihre Arbeiten steckt und oft jahrelang Lichtpünktchen an Lichtpünktchen reiht, bis sie aussehen als wären sie aufgeladen mit Ewigkeit und Endlosigkeit. Celmins sagt, sie liebe diese Blätter, die nirgends dingfest zu machen seien und hauptsächlich im Kopf des Betrachters entstünden.
Flucht vor der Roten Armee
In der unendlichen Weite ihrer Bilder spiegelt sich auch eine Art Heimatlosigkeit wider, die Vija Celmins zum Teil darauf zurückführt, dass sie im Alter von sechs Jahren mit ihrer Familie aus Lettland vor der Roten Armee flüchtete und eineinhalb Jahre in einem deutschen Flüchtlingslager verbrachte. Anschließend schlug sich ihre Familie noch vier Jahre im Nachkriegsdeutschland durch, bevor sie 1949 nach Indianapolis auswanderte. Heute habe sie eine Art von Heimat in ihrer Kunst gefunden.
Ihre Zeit als Flüchtlingskind sei von Angst geprägt gewesen, ihre Eltern zu verlieren. Gleichzeitig habe dieses Leben einen abenteuerlichen Reiz gehabt. Das alles sehe sie auch in der heutigen Welt wiederkehren, sagt die Künstlerin.
"Künstlerinnen auszustellen war unüblich"
In den USA arbeitete Vija Celmins alleine und bewunderte die großen Macher der Pop-Art nur von Ferne. Ihren Durchbruch schaffte sie erst sehr spät, wie viele andere Frauen auch. Erst 2010 brachten ihr ihre Bilder, die sich der Zeit in den Weg zu stellen scheinen, den Roswitha-Haftmann-Preis ein, den höchstdotierten Preis für Bildenden Künstler in Europa. Wie Celmins erzählt, war es in ihrer Jugend noch unüblich, dass Galerien überhaupt Künstlerinnen ausstellten.
Heute steht Vija Celmins in der Secession wie eine Künstlerin, die die Widrigkeiten ihres Lebens gemeistert und über sämtliche Hindernisse hinweg ihren Weg gefunden hat.