Ungewöhnliches Buch zum Phänomen Udo Jürgens

Der deutsche Schriftsteller Andreas Maier schreibt in "Mein Jahr ohne Udo Jürgens" über seine persönliche Faszination für den österreichischen Entertainer und analysiert die Gründe für seine große Breitenwirkung.

Am 21. Dezember 2014 starb völlig überraschend Udo Jürgens. Für den deutschen Schriftsteller Andreas Maier war das der Auslöser, sich eingehend mit dem österreichischen Musiker zu beschäftigen. In 24 Kolumnen versuchte Maier hinter das Phänomen Udo Jürgens und seine persönliche Faszination für den Sänger zu kommen. Jetzt sind diese Texte gesammelt in dem Buch erschienen.

Mittagsjournal, 23.11.2015

Unverhofft Fan

Lange Zeit hatte Andreas Maier für Udo Jürgens und dessen Musik nur ein mitleidiges Lächeln übrig, aber kein offenes Ohr. Doch dann kam es bei einem Abendessen vor fünf Jahren zur großen Bekehrung. Eine Freundin hatte das neue Album von Udo Jürgens dabei und ließ sich unter keinen Umständen davon abhalten, es auch aufzulegen. Andreas Maier: "Wir wollten das wirklich nicht hören, meine Frau und ich. Und beim vierten Lied 'Mein Bruder ist ein Maler' bin ich mit ganz großer Abwehrhaltung reingegangen und dann am Ende der ersten Strophe gab es plötzlich diesen Morphinaugenblick. Ich stand plötzlich nackt vor diesem Lied und dieses Lied hat mich gefragt, 'hör zu, was hast du eigentlich gegen mich?'"

"Mit Udo Jürgens auf einer Stufe"

Wehrlos gibt Andreas Maier zu, stand er vor dieser Frage, begann sich daraufhin die Lieder von Udo Jürgens genauer anzuhören und wollte dann den Entertainer unbedingt live erleben. Andreas Maier: "Als ich das erste Mal zu einem Udo-Jürgens-Konzert gegangen bin, hätte ich mir nie gedacht, dass es Konzerte wie Nick Cave, den ich sehr gerne mag, in den Schatten stellen würde, aber das hat es eindeutig gemacht. Normalerweise gibt es auf der Bühne ja jemanden, der völlig angehimmelt wird, so war das aber nicht, denn wir standen mit Udo Jürgens auf einer Stufe."

Udo Jürgens war Blumenkind ohne jemals Hippie gewesen zu sein und rockte ohne Rocker zu sein. Er hängte sich an keine Trends an und hängte sich keine Etiketten um. Sein Bademantel und sein Flügel waren so weiß wie ein von Tag zu Tag aufs Neue unbeschriebenes Blatt. Andreas Maier: "Das zeichnet Udo Jürgens unglaublich aus, dass er weniger an der Gestaltung seiner öffentlichen Person gearbeitet hat und eigentlich Positionen vertreten hat, die nicht immer sehr zusammenhängend waren und da ging es ihm immer um die Themen und viel weniger darum, wie er damit öffentlich dasteht."

Vielseitiger Vollblutmusiker

Das Phänomen Udo Jürgens hätte es aber ohne ein stabiles musikalisches Fundament nicht gegeben. Denn die Glaubwürdigkeit des Entertainers stammte nicht zuletzt aus der Tatsache, dass er ein unglaublich vielseitiger Vollblutmusiker war. Andreas Maier: "Er konnte eklektische Musik machen, er konnte große Hymnen im amerikanischen Stil schreiben. Es gibt für mich aber schon so eine Art Grund-Udo-Jürgens, das sind aber eher die späteren Hymnen oder die Dinge, die er in den 60er-Jahren gemacht hat, 'Merci, Cherie' oder 'Und immer wieder geht die Sonne auf'."

Udo Jürgens sei mit halbem Fuß in der Götterwelt gestanden, schreibt Andreas Maier an einer Stelle im Buch. Wie sich der Entertainer über Jahrzehnte dort oben auf dem Olymp halten konnte, das lässt sich in "Mein Jahr ohne Udo Jürgens" nachlesen.

Service

Andreas Maier, "Mein Jahr ohne Udo Jürgens", Suhrkamp