EU-Datenschützer warnt vor Überwachung

Nach Terroranschlägen wird reflexartig der Ruf nach mehr Daten und deren Speicherung laut - so auch wieder nach den Anschlägen von Paris. Entscheidungen, die sich sonst hinziehen, werden dann rasch getroffen. Diesmal geht es um die Daten von Passagieren auf Flügen innerhalb der EU. Bis Jahresende wollen sich Mitgliedsländer und EU-Parlament einigen. Der oberste Datenschützer in der EU, Giovanni Buttarelli, warnt: Der Kampf gegen Terroristen lasse sich nicht mit Technologie lösen.

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Mittagsjournal, 26.11.2015

Nicht an den nötigen Daten fehlt es im Antiterrorkampf, sondern an einer stärkeren Zusammenarbeit der Polizei über die nationalen Grenzen hinweg – davon ist der Europäische Datenschutzbeauftragte Giovanni Buttarelli überzeugt:

„Politiker müssen verstehen, was Polizei und Justizbehörden wirklich brauchen. Und wir sollten die Polizeibehörden zwingen, mehr Daten auszutauschen, insbesondere auf europäischer Ebene.“

Bereits jetzt kennen die Behörden praktisch alle sogenannten ausländischen Kämpfer, die in Syrien im Einsatz waren, oder planen, dort in den Dschihad zu ziehen. Das sind laut Schätzungen 3.000 bis 5.000 in ganz Europa.

Buttarelli: „Dschihadistische Kämpfer, ihre Zahl wird auf bis zu 5.000 geschätzt, reisen aus der EU aus und wieder ein. Aber der Großteil dieser Reisen wird von den Behörden bereits überwacht. Müssen wir also wirklich viele Millionen Euro für eine Fluggastdatenbank ausgeben, die laut mehreren Gerichten keineswegs eine Killer-App im Kampf gegen den Terror ist?“

Der Italiener, mit Erfahrung im Kampf gegen die Mafia, ist dafür, dass bei Ermittlungen gegen Terrorverdächtige alle zur Verfügung stehenden Mittel eingesetzt werden. Die Ermittlungen müssten aber gezielt erfolgen und zeitlich begrenzt sein. Und sie müssten im Einklang mit der EU-Grundrechtecharta erfolgen. Genau daran zweifelt aber Buttarelli:

"Es ist eine Illusion, ein technologischer Mythos. Es ist die Vorstellung, dass man die Lösung finden kann, indem man am Schreibtisch sitzt und etwas in den Computer eintippt."

Erfolgreiche Ermittlungen, so Buttarelli, erfordern vielmehr Kontakte in die Szene und damit vor allem eines: nicht neue Datenbanken, sondern mehr Ermittler.

Dass Politiker nach den Attentaten rasch und hart reagieren wollen, ist für den Italiener nur allzu menschlich. Doch der Datenschützer beharrt darauf und fordert: Das Grundrecht auf Privatsphäre darf nicht dem Schutz vor Terror geopfert werden.