Sylvie Guillem nimmt Abschied von der Bühne
Die Französin Sylvie Guillem wird als die Primaballerina des modernes Tanzes gefeiert. Im Februar war sie 50 und hat sich entschlossen, ihre Bühnenkarriere nach 35 Jahren zu beenden. Auf ihrer Abschiedstournee gastiert sie heute Abend eben in St. Pölten. Es wird gewissermaßen ein historischer Abend.
8. April 2017, 21:58
Kulturjournal, 4.12.2015
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Festspielhaus St. Pölten - Sylvie Guillem. Life in Progress
Bei ihrem letzten Auftritt am Pariser Théâtre des Champs Elysées Ende September gab es zwölfminütige Standing Ovations und es wurden einige Tränen verdrückt. Doch Sylvie Guillem bleibt bei ihrem Entschluss, von der Bühne Abschied zu nehmen, wie sie kürzlich in einem BBC-Interview bestätigte.
"Nationale Katastrophe": London statt Paris
Keine endlosen, wiederholten Abschiedstourneen, wie man das von anderen Performancekünstlern, vor allem Sängern kennt. Das wäre auch etwas überraschend für einen so ausgeprägten Charakter wie dem Sylvie Guillems. So zögerte sie nicht, ihren großen Mentor Rudolf Nurejew zu brüskieren, indem sie 1989 das Ballett der Pariser Oper für das Londoner Royal Ballet verließ, da sie an der Seine nicht genug Freiheiten bekam, auch Gastspiele zu absolvieren. Ein Skandal und eine "nationale Katastrophe", wie "Le Monde" damals schrieb.
Ein Jahr davor hatte Nurejew sie noch als seine Partnerin für "Giselle" anlässlich seines 50. Geburtstages erkoren - ein Meilenstein in ihrer Karriere. Es war auch Nurejew, der sie mit nur 19 Jahren zur jüngsten ersten Solotänzerin des Pariser Opernballetts krönte.
"Mademoiselle Non"
In London bekam sie von Sir Anthony Dowell, dem damaligen Leiter des Royal Ballets, den Spitznamen "Mademoiselle Non" verliehen, weil sie so oft eigenwillig Rollen ablehnte. "Das kam daher, dass wenn man mir Dinge vorschlug, die ich nicht wollte, ich nein sagte", erklärt Sylvie Guillem, "aber es kam von einer Frau und einer Tänzerin, da war man gewohnt, dass sie Ja sagen und das tun, was von ihnen verlangt wird!"
Von der Gymnastik zum Tanz
Sylvie Guillem ist von der Gymnastik zum Tanz gekommen. Sie war außerordentlich begabt, und sogar für das französische Gymnastik-Olympiateam vorgesehen. Mit elf Jahren kam sie im Rahmen eines Austauschprogramms zur Ballettschule der Pariser Oper, wo man ihr immenses Talent entdeckte. Dort ging dann alles sehr schnell. Kritiker warfen ihr lange noch vor, zu perfekt und daher kühl zu sein. Das passiere, wenn man mit Gewohnheiten bricht, meint Sylvie Guillem, dann sagen die Leute eher, man habe Unrecht, als dass sie die Dinge anders sehen.
Insgesamt bricht Sylvie Guillem gern mit Gewohnheiten, sogar auf der Bühne. Da kann es schon passieren, dass sie einmal statt von rechts von links auftritt, um die Routine zu brechen - man kann sich die Reaktion der Tanzpartner vorstellen.
Das Abschiedsprogramm
Sylvie Guillems Abschiedsprogramm heißt "Life in Progress" - es sind vier Choreografien von William Forsythe, Akram Khan, Russell Maliphant, und Mats Ek, wobei letzterer 2011 ein Stück speziell für Guillem kreiert hat. Begleitet wird Sylvie Guillem von Emanuela Montanari von der Mailänder Scala und zwei weiteren Tänzern: Brigel Gjoka und Riley Watts. Nach St. Pölten endet die Reise dann in Japan.