Walfangdrama "Im Herzen der See"
1820 wurde das Walfangschiff "Essex" von einem Pottwal angegriffen und ist danach gesunken. Für die Besatzung folgte ein wochenlanger Überlebenskampf in kleinen Ruderbooten. Die Geschichte wurde Grundlage für Herman Melvilles Roman "Moby Dick". Nun greift Hollywood-Regisseur Ron Howard das Drama für seinen Film "Im Herzen der See" erneut auf und erzählt die Erlebnisse aus der Sicht eines Überlebenden.
8. April 2017, 21:58

2015 WARNER BROS. ENTERTAINMENT
Mittagsjournal, 4.12.2015
Jugendfreier Kannibalismus
Dieser Pottwal ist nachtragend. Weil die Besatzung der Essex versucht, das Tier zu harpunieren, beginnt es einen konsequenten Rachefeldzug. Die Mannschaft wird von da an keine Ruhe mehr haben. Der Wal kennt keine Gnade, kein Weg ist ihm zu weit, um seinen Peinigern zu folgen. Immer wieder kommt es zu unheilvollen Begegnungen. Der Mensch auf Konfrontationskurs mit der Natur, die das nicht hinnehmen will. Regisseur Ron Howard demonstriert mehrfach aus der Vogelperspektive die Vermessenheit menschlicher Selbstüberschätzung: Der Wal kann es in der Größe längst mit den Schiffsmaßen aufnehmen.
Abenteuer und Überlebensdrama
Ron Howard macht aus dem Stoff, der Herman Melvilles Roman "Moby Dick" inspiriert hat, im ersten Teil einen klassischen Abenteuerfilm. Genug Zeit also für Walfänger in Heldenposen, vor allem der Erste Maat, ein Mann, der gerne Kapitän wäre und auch sonst sein Autoritätsproblem nicht verhehlt. Teil zwei des Films widmet Ron Howard dem Überlebensdrama: Der Wal versenkt das Schiff, wochenlang treiben die Seeleute in Ruderbooten über den Ozean, Prinzipien der Menschlichkeit stehen auf dem Prüfstand, Verzweiflung bis hin zum jugendfreien, weil nicht im Bild gezeigten Kannibalismus.
Schauwertekino
Die Weiten des Meeres, die beeindruckende Größe des Wals und natürlich auch die mythische Dimension der Geschichte animieren Ron Howard in "Im Herzen der See" zu groß angelegtem Schauwertekino, von artifiziellen Wolkenstimmungen bis hin zur versteckten Bordkamera mit Duschgarantie. Doch was nützen schon spektakuläre Effekte, wenn sie nur dem Abenteuer und nicht der Erzählung dienen, wenn Figuren, Klassenkonflikte und selbst der Überlebenskampf Schablonen bleiben, die nicht zusammenfinden. Irgendwie herrscht hier am Ende doch eine ziemliche Flaute.