Lindgrens "Kalle Blomquist" am Theater der Jugend

Die Kinderbuchautorin Astrid Lindgren bleibt auch 13 Jahre nach ihrem Tod präsent. Im Theater der Jugend kommt erstmals im deutschsprachigen Raum ihr Meisterdetektiv "Kalle Blomquist" auf die Bühne. Regisseur ist der Chefdramaturg des Theaters Gerald Maria Bauer; Premiere ist heute.

Lindgrens im Herbst veröffentlichten Kriegstagebücher, die eine neue Facette der Schriftstellerin präsentieren, finden sich auf den Bestsellerlisten, es gibt eine neue Biografie, ihre Wohnung im Stockholmer Vasaviertel wurde im November als Museum geöffnet und auf den Spielplänen der Kindertheater sind ihre dramatisierten Werke gerade vor Weihnachten Dauerbrenner. Zurzeit ist im Dschungel Wien eine Ein-Personen-Produktion von "Ronja Räubertochter" zu sehen.

Kulturjournal, 11.12.2015

"Der mutigste Blomquist-Band"

Die Kalle-Blomquist-Trilogie rund um den 13-jährigen Hobbydetektiven, der mithilfe seiner Freunde in einer schwedischen Kleinstadt Kriminalfälle löst, schrieb Lindgren zwischen der Arbeit an den "Pippi Langstrumpf"-Bänden. Im zweiten Band "Kalle Blomquist lebt gefährlich", den Gerald Maria Bauer jetzt dramatisiert hat, geht es nicht nur um Diebstahl, sondern um Mord, bei dem ein Mädchen zur Kronzeugin wird. Für Bauer der mutigste Band, weil er neben dem Krimi auch eine Lebenskrise beschreibt.

Fantasiewelt wird erschüttert

Bei vielen Kinderromanen bringt die Fantasie Erlösung aus dem grauen Alltag, hier aber wird die Fantasiewelt eines Kindes durch die Realität erschüttert. Doch mit Astrid Lindgrens psychologischem Feingefühl kann man Schreckliches - wie einen Mord - auch für Sechsjährige erzählen, meint Bauer, der die - wie er sagt "Lausbubengeschichte" ansprechend verpackt und auf eine bunte, liebevoll und detailreich ausgestattete Bühne stellt. Das sei zwar gänzlich gegen die Mode, aber der Retro-Charme der Geschichte, müsse beibehalten werden.

Dass diese in den Nachkriegsjahren entstandene Literatur - mit der Beschwörung von festen Werten wie Freundschaft, Menschlichkeit und Zusammenhalt - boomt, zeigen die Spielpläne der heimischen Kinder- und Jugendtheater: Neben Astrid Lindgren ist da auch Erich Kästner immer wieder zu finden. Liegt dieser Rückgriff auf die Klassiker am geringen Angebot an zeitgenössischen Theaterwerken für Kinder? Gerald Maria Bauer mit einer möglichen Erklärung: "Ich würde nicht davon ausgehen, dass wir zu wenig Stoffe hätten; weil wir ein großes Theater sind, müssen wir schauen, die geeigneten Stoffe zu finden, die die nötige Länge haben und die ein Guckkastenprinzip tragen. Und da gibt es wenig Stoffe. Deshalb greifen wir immer wieder auf die großen klassischen Stoffe zurück."

Anwältin der Kinder

Astrid Lindgren am Theaterspielplan - das spricht gleich mehrere Generationen an und garantiert familienfreundliche, pädagogisch einwandfreie und zeitlose Qualität. "Bis heute ist sie eine der mutigsten Autorinnen, die Tabuthemen wie den Tod aufgegriffen hat: Sie war eine wesentliche Anwältin von Kindern, um ihnen zu sagen: auch die Kleinsten haben Rechte (…) und mit denen können sie auch etwas bewirken, ein wichtiger Teil in der Gesellschaft sein", sagt Bauer.

Neue Publikationen

Astrid Lindgren hat das Leben in allen Facetten gekannt, das zeigt derzeit auch eine Reihe neuer Publikationen: In den Kriegsjahren hat sie bei der schwedischen Zensurbehörde Feldpost zensuriert, und einen tiefen Einblick in die Gräuel des Zweiten Weltkrieges erhalten, das verraten ihre Kriegstagebücher (Ullstein Verlag); eine neue Biografie von Jens Andersen (DVA) feiert Lindgren als Ikone der Gleichberechtigung und zeigt gleichzeitig einen Menschen, dem Gefühle wie Einsamkeit, Traurigkeit und Schuldgefühle durchaus vertraut waren. Astrid Lindgren sells - immer noch. Aber eigentlich ist dagegen gar nichts einzuwenden.

Service

Theater der Jugend - "Kalle Blomquist lebt gefährlich" - für Kinder ab 6 Jahren, bis 23. Jänner 2016

Astrid Lindgren
Die Zeit - Das Untier kommt aus seiner Höhle
Der Spiegel - Frei im Kopf

Astrid Lindgren, "Die Menschheit hat den Verstand verloren - Tagebücher 1939-1945", aus dem Schwedischen von Angelika Kutsch, Gabriele Haefs; Ullstein Verlag, Berlin; 576 Seiten

Jens Andersen, "Astrid Lindgren - Ihr Leben", aus dem Dänischen von Ulrich Sonnenberg, Deutsche Verlags-Anstalt, München, 448 Seiten

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