Irak-Erzählband "Wir erschossen auch Hunde"

Der junge US-amerikanische Autor Phil Klay hat für Aufsehen gesorgt: Selbst im Irak stationiert, hat er nach seiner Rückkehr den Erzählband "Wir erschossen auch Hunde" veröffentlicht und damit letztes Jahr den renommierten National Book Award gewonnen. Ein Interview über Kriegsmythen und die richtige Form, über den Krieg zu schreiben.

Kulturjournal, 28.12.2015

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Phil Klay, "Wir erschossen auch Hunde", aus dem amerikanischen Englisch von Hannes Meyer, Suhrkamp
Originaltitel: "Redeployment", Penguin Books, New York 2014
Phil Klay

Phil Klay, haben Sie Ihr Buch über den Krieg von Anfang an als Kurzgeschichtenband angelegt oder gab es auch die Überlegung einen Roman zu schreiben?

wollte mit meinem Buch nicht sagen, seht her, ich war im Irak und so ist es, im Krieg gewesen zu sein. Deshalb war es mir wichtig, in meinem Buch verschiedene Stimmen zu vereinen. Ich wollte unterschiedliche Figuren auftreten lassen, auch solche, die sicher nicht einer Meinung wären, und sie unabhängig voneinander von ihren Erfahrungen erzählen lassen. Diese Erfahrungen sind ja auch oft völlig konträr. Der Akt des Tötens bedeutet zum Beispiel für die Hauptfigur der ersten Geschichte etwas ganz anders als für die Hauptfigur der letzten Geschichte.

Sie waren im Irak nicht im Kampfeinsatz, sondern in der Pressestelle tätig. In ihren Geschichten kommt aber, wie gerade erwähnt, auch der Akt des Tötens zur Sprache, daneben werden auch Phänomene wie die hochsensible Wahrnehmung der Soldaten und deren innerer Drang immer wieder ins Kriegsgebiet zurückzukehren thematisiert. Sind das Symptome, die sie auch an sich selbst beobachtet haben?

Diese hypersensible Wahrnehmung kenne ich nicht aus eigener Erfahrung. Dieser Satz, den eine meiner Figuren im Buch sagt, dass er eine Zehn-Cent-Münze aus zwanzig Metern Entfernung ausmachen könnte, ist das Zitat eines Veteranen, den ich interviewt habe.

Die Gedanken, zurück in das Kriegsgebiet zu gehen, kenne ich aber auch. Ich habe das Militär 2009 verlassen, und lebe mittlerweile wieder in einer Welt, die unendlich weit weg ist vom Krieg, viele Bekannte und Freunde von mir sind aber weiterhin im Kampfeinsatz und immer wieder bekomme ich Nachricht, dass einer von ihnen verwundet wurde. In solchen Momenten fühlt man sich schuldig, weil man sich für den einfachen Weg entschieden hat. Und mit dieser Schuld haben einige gehörig zu kämpfen.

Sie haben zur Recherche für ihr Buch zahlreiche Gespräche mit Marines geführt. Wie haben Sie es geschafft, zu deren wahrscheinlich oft traumatischen Erlebnissen vorzudringen?

Ein paar Bier zu Beginn waren da manchmal ganz hilfreich. Ich war aber nicht nur auf die traumatischen Erlebnisse aus. Generell habe ich die Erfahrung gemacht, dass jeder Veteran einen Sack an sicheren und lustigen Geschichten parat hat, die sich leicht erzählen lassen, weil sie an keinen Traumata kratzen. Ich habe auch einen Marine getroffen, der unter einem posttraumatischen Stresssyndrom litt und meinte, dass er überhaupt nichts aus dem Irak erzählen würde, weil alle immer nur auf die ganz schrecklichen Geschichten aus wären. Dass es auch enge Freundschaften gegeben hat und inmitten der Gewalt auch sehr schöne Zeiten, das wollte keiner hören. Dabei war da unten eben nicht alles schlecht.

Sie haben in amerikanischen Tageszeitungen auch mehrere Essays veröffentlicht, wie, ihrer Meinung nach, über den Krieg gesprochen und geschrieben werden sollte.

Meiner Meinung nach wird Krieg noch immer mystifiziert. Er gilt als diese ganz andere Erfahrung und wer sie gemacht hat, unterscheidet sich grundlegend von den Menschen, die nie in einem Krieg waren. Der Krieg an sich ist durch so viele Geschichten über den Krieg überlagert und als ich mich ans Schreiben machte, wollte ich diese Geschichten nicht völlig abstreifen und von mir schieben, sondern mir ihres Einflusses bewusst sein. Als ich in den Irak ging, sind mir diese Geschichten im Kopf herumgeschwirrt, als ich dort war, habe ich versucht, meinen Erfahrungen anhand dieser Geschichten Sinn zu verleihen und seit ich wieder zurück bin, merke ich, wie diese Geschichten meine Erinnerungen an den Krieg mit- und umgestalten.

Der Vietnamveteran Karl Marlant hat in seinem Buch "Wie es ist, in den Krieg zu ziehen" geschrieben: Fragen Sie einen zwanzigjährigen Kriegsheimkehrer wie es sich anfühlt, einen Menschen zu töten und seine wütende Antwort wird wahrscheinlich lauten, ich empfinde verdammt nochmal gar nichts. Stellt man demselben Mann vierzig Jahre später dieselbe Frage, wird man aber mit ziemlicher Sicherheit eine ganz andere Antwort bekommen. Das hängt nicht nur mit der Persönlichkeit, sondern auch mit dem sozialen Umfeld des Mannes zusammen und das sollte man auch berücksichtigen.

Gab es eine Geschichte im Buch, mit der Sie besonders gekämpft haben und wenn ja, warum?

Die Schwierigkeiten beim Schreiben waren ganz unterschiedlicher Natur. Bei manchen Geschichten war es emotional aufwühlend, weil ich mich beim Schreiben in sehr unangenehme Stimmungen versetzen musste und bei anderen waren es wieder schreibtechnische Probleme, die mir einiges abverlangten. Ein besonderer Fall war die Geschichte "Geld als Waffensystem ", die in einem eher komischen Tonfall daherkommt. Dabei wurde ich während des Schreibens immer wütender, weil ich über all die Fehler las, die bei der Planung des Irakkriegs gemacht wurden. Da war zum einen die grundsätzliche Entscheidung überhaupt in den Irak einzumarschieren, die ja mit gutem Recht kritisiert werden kann. Darauf folgten aber eine ganze Menge weiterer politischer Fehlentscheidungen und die kosten in Kriegszeiten einfach Menschenleben. Und sich damit zu beschäftigen, war für mich unglaublich aufwühlend. Aber gerade weil mich diese Dinge so wütend gemacht haben, ist aus dieser Geschichte wahrscheinlich die komischste im ganzen Buch geworden.