"Der Himbeerpflücker" in St. Pölten

Am Landestheater St. Pölten wird mit dem Stück "Der Himbeerpflücker" mit der Nachkriegszeit abgerechnet - es zeigt, wie ein Dorf um die Gunst eines ehemaligen Nazi-Granden buhlt - ein satirisches Theaterstück des österreichischen Dramatikers Fritz Hochwälder.

Morgenjournal, 15.1.2016

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Landestheater St. Pölten - Der Himbeerpflücker

Zwei Kisten Zahngold

"Searching for a heart of gold" - unter dieses Motto hat Bettina Hering ihre letzte Saison am Landestheater St. Pölten gestellt, gestoßen ist sie dabei makaberer Weise auf zwei Kisten Zahngold, die im Zentrum von Fritz Hochwälders dunkler Satire stehen. Ein ehemaliger SS-Scharführer hat die Kisten im Dorf Brauning zurückgelassen; Gold, das für den Aufschwung des Dorfes gesorgt hat. Der Himbeerpflücker nennt man ihn, weil er während des Krieges Gefangene zum Himbeerpflücken in einen Steinbruch geführt hat, um sie dort zu erschießen.

Jetzt kommt ein geheimnisvoller Fremder ins Dorf und man ist überzeugt davon, dass der Himbeerpflücker zurückgekommen ist, um sein Gold zu holen. Nach anfänglichem Schrecken beginnen alle im Dorf um seine Gunst zu buhlen, allen voran der Bürgermeister Steißhäuptl, dargestellt von Martin Leutgeb.

Sprache als Brücke in die Gegenwart

Kein unproblematisches Stück, meint die deutsche Regisseurin Cilli Drexel, weil es sehr in seiner Zeit, den frühen 1960er Jahren verhaftet sei. Die alten Nazis im Provinzdorf könne man schwer ins Heute versetzen, aber über die Sprache gelinge eine Brücke in die Gegenwart. "Das was an politscher Sprache heute stattfindet, ähnelt dieser Sprache der Saufköpfe auf schockierende Weise. Wir haben auch versucht Sprache von Heute in dem Stück unterzubringen, und die fügt sich nahtlos ein", so Drexel.

In aktuellen politischen Diskussionen könne man derzeit beobachten, dass immer mehr Tabus und Schranken gebrochen würden, gerade in Österreich und Deutschland. Rechtes Denken und rechte Ideologie zeige sich weit unverhohlener als früher. "Jetzt gab‘s bei einer Pegida-Demonstration jemanden, der gesagt hat: ‚Leider sind die KZs nicht mehr in Betrieb‘ - solche Sätze fallen wieder! Da glaub ich, ich fall tot vom Stuhl. Wenn du dich mit deiner Vergangenheit nicht auseinandersetzt, kannst du die Gegenwart nicht einschätzen", betont die Regisseurin.

Fritz Hochwälder - heute fast vergessen

Historisch-politisch so waren auch alle Stücke von Fritz Hochwälder, ein Dramatiker, der zu seiner Zeit mit Friedrich Dürrenmatt oder Max Frisch genannt wurde, heute aber fast in Vergessenheit geraten ist. Seine Stücke, wie etwa "Das heilige Experiment" wurden am Burgtheater gespielt, in den Schulen gelesen und für das österreichische Fernsehspiel adaptiert; legendär wurde die "Himbeerpflücker"-Verfilmung mit Helmut Qualtinger, Kurt Sowinetz oder Hilde Sochor.

Weniger abgründig als klamaukhaft typisiert, zeigt man Hochwälders Figuren in St. Pölten, das lassen die Proben erahnen. Cilli Drexel setzt aufs Komödiengenre und versucht dem Stück mit schriller Überzeichnung beizukommen. Ob das der Wiederentdeckung Hochwälders förderlich ist, werden die Reaktionen auf die heutige Premiere zeigen.