Trinkwasserkrise in US-Kleinstadt
Es begann vor zwei Jahren als Sparmaßnahme für die ärmliche US-Stadt Flint: Aus Kostengründen stellte die Stadt damals ihr Trinkwassersystem um, bezog das Wasser statt aus Detroit aus dem Fluss Flint. Doch das stark verschmutzte Wasser griff die Wasserleitungen an, tausende Bewohner und vor allem die Kinder erkrankten an schweren Bleivergiftungen - ihre Beschwerden und Bitten wurden trotzdem lange von den Behörden ignoriert.
8. April 2017, 21:58
Jetzt hat US-Präsident Obama den Notstand für die Region ausgerufen. Und alle fragen sich: wie konnte es überhaupt so weit kommen?
Mittagsjournal, 22.1.2016
Es ist eine Entschuldigung, auf die die Bewohner der Kleinstadt Flint lange gewartet haben: „Es tut mir leid“, sagt der Gouverneur von Michigan, Rick Snyder, am Mittwoch. „Eure Regierung und eure Behörden haben euch im Stich gelassen. Ich verspreche, ich werde es wieder gutmachen.“
Doch für viele Bewohner der größtenteils afroamerikanischen Stadt kommen diese Worte zu spät. Zwei Jahre lang sind ihre verzweifelten Beschwerden über das stinkende, schmutzige Wasser in Flint auf taube Ohren gestoßen. Und das obwohl hunderte Menschen schwer erkrankten.
„Eine Entschuldigung, ja, ok“, sagt Josie Perry, eine Bewohnerin von Flint. „Aber die macht mein Wasser nicht sauber. Und das schlimmste ist, dass sie uns noch immer zahlen lassen für das giftige Wasser. Das ist einfach verrückt.“
„Snyder muss zurücktreten“, fordert Naraya Sharif. „Das ist unter seinen Augen passiert. Seine Entschuldigung kann er sich in die Haare schmieren.“
Die Trinkwasserkrise in Flint hat sich zu einem nationalen politischen Skandal ausgewachsen, der mittlerweile sogar das Justizministerium beschäftigt.
Ganz Amerika will wissen, warum fast 19 Monate lang niemand auf die Gefahr reagierte, und warum die Behörden die vielen Hinweise auf das bleiverseuchte Wasser vertuschten?
Die verarmte Autostadt Flint hatte 2014 unter Aufsicht staatlicher Konkursverwalter aus Kostengründen ihr Trinkwassersystem umgestellt - und das Wasser statt aus der Stadt Detroit aus dem lokalen Fluss in die Häuser geleitet.
Das Wasser sei sicher, betonten sowohl die städtischen als auch die staatlichen Stellen - auch als immer mehr Bewohner über Krankheiten und Hautausschläge klagten.
„Diese Menschen wurden zwei Jahre lang belogen“, sagt die Kinderärztin Mona Attisha, die dabei mithalf, den Skandal schließlich aufzudecken. „Die Regierungsstellen haben das Vertrauen dieser Leute missbraucht und auf jedem Level versagt.“
Die Verantwortung dafür, die will jedoch keiner übernehmen. Weder die Stadt Flint, noch der Staat Michigan. Gouverneur Snyder behauptet, erst im Herbst von dem Skandal erfahren zu haben. Doch nun veröffentlichte E-Mail-Korrespondenzen zeigen, dass seine Behörden die Beschwerden aus Flint lange Zeit als "lästig" und "politisch motiviert" abgetan hatten.
Ein "unentschuldbares Verhalten", schimpft US Präsident Obama
„Wenn meine Kinder diesem Gesundheitsrisiko ausgesetzt wären, ich wäre außer mir“, empört er sich. „Man kann doch nicht Geld sparen, wenn es um Grundbedürfnisse wie Wasser geht!“
Obama hat mittlerweile den Notstand ausgerufen, und das US-Militär mit Wasser für drei Monate nach Flint geschickt.
Doch all das sind nur Tropfen auf dem heißen Stein. Schätzungen zufolge braucht die bankrotte Stadt 800 Millionen Dollar um ihr Trinkwassersystem wieder zu reparieren. Michigan hat bisher 28 Millionen Dollar zu Verfügung gestellt, die US-Regierung fünf Millionen.
„Das ist alles lächerlich“, sagt ein enttäuschter Bewohner von Flint. „Schon wieder lassen sie uns um Stich. Dabei haben sie unsere Kinder vergiftet.“