Friedericke Mayröcker

APA/HERBERT NEUBAUER

"fleurs": Mayröckers neuer Prosaband

Vor gut einem Jahr hat Friederike Mayröcker ihren 90. Geburtstag gefeiert und scheinbar unermüdlich schreibt sie ihr Lebenswerk fort. Jetzt ist ein neuer Prosaband erschienen: der letzte Teil einer Trilogie, datierte Aufzeichnungen, die seit 2013 im Jahresrhythmus herausgekommen sind - "etudes", "cahier" und jetzt eben "fleurs".

Morgenjournal, 3.2.2016

"Ein radikaler, intensiver und ergreifender Text"

Fleurs - das ist ein Erzählstrom aus Erinnerungen, Träumen, Assoziationen und Alltagssplittern, datierte Aufzeichnungen aus 15 Monaten. Allerdings: "es ist kein Tagebuch", erklärt Friederike Mayröcker, "es gibt keinen Plan in meinen Werken. Ich lasse mich überraschen was kommt." - "Manchmal schreibe ich von meinen Träumen ab, ich empfange Verbalträume", liest man in "fleurs" und präzise zeichnet Friederike Mayröcker das Bild von der Dichterin bei der Arbeit.

"Unerhört glücklich"

"Ich sitze gebückt fast kniend (wie Glenn Gould beim rasenden Spiel), man musz warten können bis es einschnappt, ich brauche eine hohe Zimmertemperatur und elektrisches Licht auch wenn die Sonne hereinscheint. Es ist eine grosze Aufregung so dasz mein Blutdruckwert aufs höchste, etc." - Das Schreiben gehe mittlerweile gesundheitlich an die Substanz erklärt Friederike Mayröcker und sie fügt hinzu, "aber es macht auch glücklich, unerhört glücklich." Mit aller Kraft und mitunter auch mit ironisch gebrochener Selbstbetrachtung stemmt sich Friederike Mayröcker hier gegen das Alter. Am 28. Jänner 2015 notiert sie: "..mit 90 als Frau, ist man altbacken."

Ein melancholischer Ton

Von einer optimistischen, kraftvollen, beinahe heiteren Leichtigkeit war noch vor vier Jahren der Prosaband "Ich sitze nur grausam da" getragen. Jetzt, in "fleurs" sind die titelgebenden Blumen mitunter verwelkt, zerdrückt, zertreten oder - wie es immer wieder heißt - hingeleiert. Hier wird ein anderer Ton angeschlagen. "Vielleicht ein melancholischer Ton", sagt Friederike Mayröcker, "immer wieder habe ich depressionsartige Zustände, ich fühl mich so invalide mit meinem Rollator. Wenn ich das Haus verlassen will, bin ich auf fremde Hilfe angewiesen. Das bedrückt mich natürlich."

"Weh mir"

Ungeschönt und unsentimental schreibt Friederike Mayröcker über Krankheit und Schmerzen, vom Todeshauch und dem Sensenmann, "Weh mir" - der Klageruf zieht sich wie ein Refrain durch den ganzen Text. Mit dem 31. Mai 2015 ist die letzte Eintragung datiert: "Das Ende des Buches sollte mitten im Satz" und das tut es denn auch. Was kam danach?

"Nach einem schweren Sturz im Juni des vorigen Jahres war ich elf Wochen im Krankenhaus. Als ich dann nach Hause gekommen bin, hab ich gleich mit einer neuen Prosa angefangen. Ich möchte noch ein längeres Buch schreiben. Wenn es mir vergönnt ist", sagt die Autorin.

Die datierten Aufzeichnungen hat Friederike Mayröcker abgeschlossen - mit "fleurs", einem radikalen, intensiven und ergreifenden Text.

Gestaltung: Kristina Pfoser

Service

Friederike Mayröcker, "fleurs", Suhrkamp