Auf dem Flüchtlingstreck durch Europa

Einbruch der Wirklichkeit

Der vielfach ausgezeichnete deutsch-iranische Schriftsteller Navid Kermani hat eine literarische Reportage über den Weg der Flüchtlinge durch Europa verfasst. Immer wieder hat sich der Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels als Krisenreporter in Bürgerkriegsregionen schicken lassen. Im Sommer 2015 reiste Navid Kermani im Auftrag des Nachrichtenmagazins "Spiegel" den Flüchtlingen entgegen.

Kontext, 5.2.2016

Zehn Tage recherchierte Navid Kermani - gemeinsam mit dem Fotografen Moises Saman - die beschwerliche Reise der Flüchtlinge in die Gegenrichtung: Von Budapest und der griechischen Insel Lesbos aus, weiter über die Ägäis bis hinüber aufs türkische Festland.

Mit scheinbar kindlichem Staunen und beeindruckend unaufgeregt beschreibt Navid Kermani das Elend der Flüchtlinge auf der sogenannten "Balkanroute". Darüber hinaus reflektiert er die Flüchtlingskrise präzise und erkenntnisfördernd. Den intellektuellen Orientalisten interessiert vor allem das Alltägliche und das ganz Banale dieser Ausnahmesituation: Wo schlafen die Menschen? Was essen sie? Was machen die Frauen abends?

Navid Kermani erzählt von seinen Aufenthalten in Izmir, wo professionelle Schlepper in den Cafés mit den Flüchtlingen die Bedingungen für die Überfahrt nach Europa aushandeln – und den Heimatlosen oft gnadenlos und brutal ihr allerletztes Geld entwenden. Er unterhält sich mit verzweifelten Flüchtlingen, die ihre Flucht längst bereuen.

Der vielgereiste Schriftsteller ist Zeuge des großen Engagements zumeist junger Helfer oder er beobachtet ein kleines Mädchen, das "dem Polizisten so zärtlich über die blaue Uniform" streicht, dass dem Mann die Tränen kommen. Navid Kermani beschreibt in seinem Buch ohne Pathos und trotzdem tief berührend die schockierenden Auswüchse des europäischen Grenzsystems.

Service

Navid Kermani, "Einbruch der Wirklichkeit. Auf dem Flüchtlingstreck durch Europa", Verlag: C.H. Beck