Roman von Ernst Lothar

Der Engel mit der Posaune

Das Haus in der Wiener Innenstadt, Seilerstädte 10, ist von außen betrachtet nichts Besonderes - kein Engel weit und breit. Und das obwohl ihn Ernst Lothar in seinem Roman wie einen Schutzgeist beschwört. Drei Generationen einer Wiener Familie erleben hier den Untergang der Donaumonarchie.

Wien, Sommer 1791. Christoph Alt, Begründer einer renommierten Klavierfabrik, lässt in der Seilerstädte 10 ein stattliches Gebäude errichten und dabei einen steinernen Engel mit Posaune über dem Eingang postieren. Dieser Engel bewacht ein komfortables, aber düsteres Gefängnis. Christoph Alts gefinkeltes Testament hat nämlich dafür gesorgt, dass sich seine Nachkommen unheilsam eng unter einem Dach zusammendrängen.

Der eigentliche Roman setzt 1888 ein, als der Enkel Franz beschließt, Henriette Stein zu heiraten, eine junge Frau mit jüdischen Wurzeln. Tanten und Onkel melden Bedenken an, doch Franz setzt sich durch. Mit Henriette zeichnet der Autor die farbigste Figur des Bandes: Er begleitet ihr Leben und das ihrer Kinder über sechzig Jahre und schildert dabei, wie sich der Alltag im Haus verändert. Henriette wird nicht glücklich. Ihre eigentliche Liebe war Kronprinz Rudolf. Doch als sich dieser entscheidet, die Auflösung seiner Ehe und den Konflikt mit dem Kaiser herauszufordern, ist es zu spät: Henriette ist frisch verheiratet, als sie von Rudolfs Selbstmord erfährt.

Der 1890 in Brünn geborene Ernst Lothar war, wie viele österreichische und deutsche Intellektuelle und Kunstschaffende, Jude, ohne der Konfession großen Wert beizumessen. Er war ein vielseitiger Mann, debütierte 1918 als Romancier, schrieb Gedichte und Theaterstücke, war Mitgründer der Salzburger Festspiele, aber auch der Hochschule für Welthandel und der Wiener Messe. Er war Journalist und Direktor des Theaters in der Josefstadt. 1938 flüchtete Lothar vor den Nazis in die USA und träumte dort seiner Heimat nach. In den sieben Jahren seines Exils verfasste er gleich fünf Romane. Unter ihnen auch den "Engel mit der Posaune": Darin suchte er das Wesen eines Landes zu erklären, das sich allzu bereitwillig in die Arme Hitlers geworfen und seine einstige Größe mit Füßen getreten hatte.

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Ernst Lothar, "Der Engel mit der Posaune", Roman, Zsolnay Verlag