Toleranz in einer grenzenlosen Welt
Die Eingewanderten
Vor acht Jahren veröffentlichte der niederländische Soziologe und Journalist Paul Scheffer ein Buch über das multikulturelle Zusammenleben in Holland. Je mehr wir den Konflikt zu uns durchdringen lassen, desto besser können wir damit umgehen, schrieb Paul Scheffer damals. Nun hat der Hanser Verlag sein Buch, das mittlerweile als Standardwerk gilt, neu aufgelegt.
8. April 2017, 21:58
Kontext, 12.02.2016
Paul Scheffer plädiert für ein neues Nachdenken über Immigration und Versorgungsstaat, für ein Ernstnehmen der Religionsfreiheit, er verlangt eine andere Bildungs- und Familienpolitik und eine neue Bürgerschaftskultur – ausgehend immer vom Grundsatz der Gleichheit. Die Aufgabe der sozialen Integration der Einwanderer dürfe nicht allein der Politik überantwortet werden.
Die Gewerkschaften, die Kirchen, die sogenannte "gesellschaftliche Mitte" - sie alle seien jetzt gefordert. Besorgnis wecken bei ihm nicht nur der Fundamentalismus vieler Einwanderer und die schlechten Chancen der Migranten auf dem Arbeitsmarkt. Sondern auch die Politik des Westens in Bezug auf die Länder des Nahen und Mittleren Ostens: Sie sei inkonsequent, unglaubwürdig und destabilisierend.
"Die Eingewanderten": Ein fundiertes, informatives und zum Nachdenken anregendes Buch, das an manchen Stellen aber unbefriedigend bleibt – bleiben doch etliche Feststellungen und Forderungen allzu vage und pauschal. Scheffers Fazit – "Gesucht wird ein neues 'Wir'" – klingt auch nicht viel anders als Merkels "Wir schaffen das".
Ein Buch also, über das man streiten kann, ja streiten muss: Denn würde die Einführung von Flüchtlings-Obergrenzen nicht die Aushöhlung des Asylrechts bedeuten – oder gar die Abschaffung der Genfer Flüchtlingskonvention? Und wer definiert diese Obergrenzen? Paul Scheffer, der von sich sagt, kein "Integrationspessimist" zu sein, glaubt jedenfalls an Lösungen, die humanitäre Verpflichtung und politischen Realismus miteinander versöhnen können.
Service
Paul Scheffer, "Die Eingewanderten. Toleranz in einer grenzenlosen Welt", Carl Hanser Verlag
Paul Scheffer diskutiert am 18. Februar 2016 mit Philipp Blom über die aktuelle Frage "Was ist zu tun? Die Ankunft von Hunderttausenden von Flüchtlingen hat Folgen für die europäischen Gesellschaften".
Uhrzeit: 20.00 Uhr
Ort: Burgtheater Wien, Kasino
Burgtheater