Piero della Francesca in Forli

Im norditalienischen Forli werden bis zum 26. Juni die wichtigsten transportablen Werke des Frührenaissancemalers Piero della Francesca gezeigt. Geboten wird aber nicht einfach nur eine chronologische Aneinanderreihung seiner Meisterwerke.

Seinen Bildern werden Gemälde aus späteren Jahrhunderten gegenübergestellt. So soll demonstriert werden, wie der Maler die modernen Symbolisten faszinierte und beeinflusste.

Kulturjournal, 25.2.2016

Was hat ein Maler der italienischen Frührenaissance mit einem Maler aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gemein? Wie kommt es, dass Piero della Francesca erst im späten 19. Jahrhundert wiederentdeckt und einem breiten Publikum noch viel später ein Begriff wurde? Immerhin ein Künstler, dessen Werke heute als unbezahlbar gelten.

Rezeption, Mythos und Einfluss

Eben weil der um 1420 im toskanischen Sansepolcro geborene und 1492 dort auch gestorbene Piero della Francesca verschiedene Fragen aufwirft, erklärt der Kunsthistoriker Flavio Caroli, organisierte man im norditalienischen Forli eine Kunstschau, die sich mit diesem heute berühmten Maler und seiner späten Rezeption, seinem Mythos und seinem Einfluss auf das Schaffen moderner Künstler beschäftigt:

"Wir sprechen heute immer noch über Piero della Francesca, weil er erst spät in unser Bewusstsein trat. Es waren ja zunächst britische Künstler des frühen 20. Jahrhunderts, die sich von ihm inspirieren ließen, darunter Roger Fry, Duncan Grant, die Künstler der Bloomsbury-Gruppe. Heute hingegen schätzen wir Piero als den zentralen Maler des 15. Jahrhunderts in Italien."

Mathematik löst perspektivische Fragen

Piero della Francesca war der erste Maler, der versuchte, perspektivische Fragestellungen in der Malerei mit Hilfe der Mathematik zu lösen. Und so verwundert es nicht, dass seine Sujets immer wie auf einer Bühne angeordnet wirken: klassisch elegant, so als ob er Bühnenrepräsentationen wiedergibt, auf denen jede einzelne Figur von ihm nach geometrischen Anordnungen platziert wird.

Eine künstlerisch-ästhetische Anordnung von Sujets, die den auf klare Harmonien mit deutlicher Bildsprache verhafteten modernen Malern der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts als Vorbild diente. Und so zeigt die große Ausstellung in Forli nicht nur nahezu alle transportablen Werke Piero della Francescas, sondern auch Bilder von Künstlern, die sich von seinem Schaffen inspirieren ließen - wie etwa von Massimo Campigli, Giorgio Morandi, von Balthus, Seurat und anderen.

"Er war eine Art Symbolist"

Geboten werden Gegenüberstellungen. So hängt bei Pieros berühmter "Madonna della Misericordia" das Porträt Silvana Cennis von Felice Casorati aus dem Jahr 1922. Gegenüberstellungen dieser Art machen deutlich, dass sich hauptsächlich jene modernen Maler von Piero della Francesca inspirieren ließen, sich aus dem Umfeld des Symbolismus kommen.

"Diese Ausstellung will zeigen, dass Piero della Francesca selbst eine Art Symbolist war, der mit der Anordnung der Personen, der Gegenstände und Architekturelemente auf seinen Bildern Symbolisches unterstreichen wollte", erklärt Kunsthistoriker Flavio Caroli. "Genau deshalb waren die modernen Maler des Symbolismus so fasziniert von ihrem Vorgänger aus frühen Renaissance."

Jahrhundert des Piero della Francesca

Und so wurde, folgern die Kuratoren der Ausstellung in Forli, gerade das 20. Jahrhundert zum Jahrhundert des Piero della Francesca: Er wird zum Vorbild jener Künstler, die formale und geometrische Strenge, eine gewisse Verzauberung und das Entrückte der Porträts und Madonnenbildnisse des Renaissancemalers mit einer expressionistischen und abstrakten Bildsprache zusammen bringen. Piero della Francesca, so das Fazit der Kunstschau in Forli, ist einer der wichtigsten Einflussgeber modernen Kunstschaffens.

Service

Musei San Domenico - Piero della Francesca. Indagine su un mito
Forli, Musei San Domenico, bis 26. Juni 2016.

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