"El Clan": Dunkles Kapitel Argentiniens

Verschleppungen von politischen Gegnern waren in Argentinien während der Militärdiktatur in den 1970er Jahren an der Tagesordnung. Doch auch danach gab es immer wieder Entführungen, wenn auch aus ganz anderen Motiven. Diesen geht der argentinische Film "El Clan" anhand eines spektakulären Kriminalfalls nach und rollt damit auch ein dunkles Kapitel argentinischer Geschichte auf.

Regisseur Pablo Trapero wurde für seinen Film letztes Jahr bei den Filmfestspielen von Venedig mit einem Silbernen Löwen für die beste Regie ausgezeichnet.

Morgenjournal, 3.3.2016

Wie der Vater so nicht der Sohn

Nichts stört die Idylle der Familie Puccio beim Abendessen. Allen schmeckt es. Zuvor hat der Vater (Guillermo Francella), der Mann in der Strickjacke, seiner Tochter bei den Schulaufgaben geholfen, Sohn Alejandro (Peter Lanzani), ein populärer Rugby-Spieler, hilft im familieneigenen Imbissgeschäft aus. Alles scheint unauffällig in einem Vorort von Buenos Aires. Eine perfekte kleinbürgerliche Fassade für ein dunkles Verbrecherkapitel im Argentinien der frühen 1980er Jahre. Denn Vater Arquimedes Puccio ist der Chef eines Clans, der sich mit Entführungen den Lebensunterhalt verdient.

Schwieriges Vater-Sohn-Verhältnis

Die Geschichte der Puccios fächert der argentinische Regisseur Pablo Trapero in mehrere Ebenen auf: Die Kriminalstory ist der rote Faden für einen Blick in die familiären Verhältnisse und eine weitere Stufe darunter in eine von komplexer Abhängigkeit geprägte Vater-Sohn-Beziehung. Zuckerbrot und Peitsche bestimmen dieses Verhältnis und dabei führt der Film aus dem Privaten ins Politische, denn so wie sich Argentinien in den 1980er Jahren von der Diktatur zu befreien versuchte, genauso will der Sohn raus aus der Zwangsjacke, die ihm sein Vater angelegt hat, in die persönliche Freiheit. Das Zerwürfnis ist unausweichlich.

Jenseits des Boulevards

Arquimedes Puccio war ein Handlanger der Militärs, in deren Ära er sein Entführungsgeschäft inklusive Folter gelernt hat. Unter dem Schutz ehemaliger Offizieller, die die Demokratie nur als lästige, vorübergehende Erscheinung sahen, nutzte er nach 1982 seine fragwürdigen Fähigkeiten für privaten Profit. In Argentinien ist der Fall Puccio vor allem als spektakuläres Boulevardphänomen bekannt. Regisseur Trapero hingegen schichtet den Stoff im Kino in mehrere Zeitebenen, um die psychologischen und politischen Hintergründe authentisch als Genrestück aufzurollen, zwischen Horror, Thriller und Tragödie. Der Horror eines Familienbetriebs im wahrsten Sinne des Wortes.