Architekturfotografie im Az W

Im Architekturzentrum Wien (Az W) wird heute die Ausstellung "Zoom! Architektur und Stadt im Bild" eröffnet - ein Gastspiel des Architekturmuseums der TU München in der Pinakothek der Moderne. Gezeigt wird nicht Hochglanz-Architekturfotografie ohne Menschen - sondern Architektur, die Alltag, Geschichte, Benutzung spiegelt: in Honkong oder Lagos, Wien, Mexiko oder der Ex-DDR.

  • Sozialistischer Modernismus in St. Petersburg

    Socialist Modernism, 2005–2010, Sankt Petersburg, Russland, 2009 (Ausschnitt)
    Roman Bezjak

    Roman Bezjak

  • Lagerhalle

    Hidden Islam, 2009–2013, Islamischer Gebetsraum in einer Lagerhalle, Provinz Venedig, Italien
    (Ausschnitt)
    Nicoló Degiorgis

    Nicoló Degiorgis

  • Frau an einer Bushaltestelle

    Die zweite Heimat (Arbeitstitel | working title), 2014, "Yet Untitled" (Ausschnitt)
    Peter Bialobrzeski

    Peter Bialobrzeski

  • Takstelle in Wien

    Sechsundzwanzig Wiener Tankstellen, 2008-2011, Castrol, Kärchergasse 1A, 1030 Wien
    (Ausschnitt)

    Stefan Oláh

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Kulturjournal, 9.3.2016

Service

Az W - Zoom! Architektur und Stadt im Bild
10. März bis 17. Mai 2016

Wirklichkeiten, die wir im Alltag nicht sehen

In Architektur nehmen die Ideale und Träume von Gesellschaften, wie auch ihre gescheiterten Sehnsüchte gebaute Form an. Die Ausstellung "Zoom!" zeigt 13 fotografische Projekte, die anhand von Architektur Geschichten ins Bild rücken: über extreme Ungleichheit, Immobilienspekulation und die große globale Völkerwanderung.

Um Hochglanzfotografie für Architekturmagazine geht es hier genau nicht, erklärt Dietmar Steiner, der Leiter des Architekturzentrums Wien: "Ich erinnere mich immer daran, dass Architekten immer noch darauf bestehen, dass zum Beispiel ein Museum fotografiert wird, bevor die Gegenstände eingeräumt werden, dass ihre baukünstlerischen Werke ja nicht durch Gebrauchsspuren verunglimpft werden. Und die andere Fotografie, die wir heute hier sehen, ist die kritische, analytische Architekturfotografie, die eine Wirklichkeit erschließt, die wir im Alltag eigentlich nicht sehen oder nicht sehen wollen."

Selbstbau-Siedlungen auf den Dächern

Nicoló de Giorgis zeigt in einer Schachbrett-artig gehängten Serie von kleinen Schwarzweißfotografien Fassaden anonymer Bauten in italienischen Vorstädten, hinter denen sich Moscheen und islamische Gemeindezentren verbergen, worauf aber absolut nichts hindeutet. Der Fotograf Stefan Canham und die Architektin Rufina Wu dokumentieren Selbstbau-Wohnsiedlungen auf Hochhausdächern von Honkong. Geringverdiener zimmern sich diese winzigen, verschachtelten "Penthouses des Existenzminimums" zusammen.

Ozeane von Spielzeughäuschen

Vor den Fotoarbeiten der in New York lebenden Mexikanerin Livia Corona glaubt man, das können keine realen Siedlungen sein. Man sieht wahre Ozeane von einförmigen Spielzeughäuschen. Die winzigen Reihenhäuser in sauberen Reihen sind aber nicht aus Pappe oder eine Photoshop-Illusion, sondern echte Wohnsiedlungen im ländlichen Raum. Vicente Fox Quezada, Präsident Mexikos von 2000 bis 2006, versprach im Wahlkampf die Errichtung von zwei Millionen Sozialwohnungen während seiner Amtszeit, erzählt die Ausstellungskuratorin Hilde Strobl vom Architekturmuseum der TU München.

"Die leben ganz oft in zwei Zimmern zu acht, und haben relativ wenig Möglichkeit an individuellem Raum, den sie selber noch verändern können. Sie haben ein Zuhause, ja, aber dieses viele Geld für dieses Projekt, das der Wiederwahl des Präsidenten diente, hätte theoretisch, wenn alle Gelder auch dahin geflossen wären wofür sie eigentlich veranschlagt waren, mehr bringen müssen als eine absolut minimalisierte Version. Die tatsächlich davon profitiert haben, waren sicher nicht die Menschen, die jetzt ein Zuhause haben."

Verlassen und verletzt

Orte der Menschenrechtsverletzungen
Abgenützte und verlassene Alltagsarchitektur haben Ulrike Myrzik und Manfred Jarisch im westdeutschen Fichtelgebirge fotografiert. Denn Landflucht gibt es nicht nur in den neuen, sondern auch den alten Bundesländern. "Die Fotografin meinte, für sie waren es wie architektonische Leichen innerhalb eines Dorfes. Und die Menschen die dort leben, die begegnen jeden Tag dem Verlust der Mitmenschen innerhalb des Dorfes", sagt Strobl.

Und Eva Leitolf dokumentiert seit 2004 harmlos wirkende Orte, wo sich Gewalttaten und Anfeindungen gegenüber Flüchtlingen ereignet haben. "Postcards from Europe" heißt ihre Serie. Hilde Strobl: "Eva Leitolf fotografiert Orte, die bedeutend sind für Konfliktfälle, die es an den europäischen Außengrenzen gibt. Also zu einer Zeit, als Frontex begann, seine Arbeit zu tun, und sie hat im Grunde Orte der Menschenrechtsverletzungen fotografiert. Aber nicht mit Menschen drauf, die hilferufend wirken, sondern es sind Stillleben."

Die Ausstellung „Zoom! Architektur und Stadt im Bild“ ist zwischen künstlerischer und dokumentarischer Fotografie angesiedelt; sie bietet einen vertieften Blick auf Fragmente gebauter Umwelt jetzt, und warum sie so und nicht anders aussieht.

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