Anna Koppitz' NS-Fotografie in Wien

Bisher galt die Fotografin Anna Koppitz als Anhängsel ihres ungleich berühmteren Mannes Rudolf Koppitz. Ein Forschungsprojekt beleuchtet nun das eigenständige Werk der Wienerin, die sich aktiv an der bildlichen Umsetzung der NS-Rassenideologie beteiligte. Dieses Kapitel zeigt eine Ausstellung im Wiener Photoinstitut Bonartes.

Anna Koppitz, Speerwerfende Schülerin der Reichsschule Burg Neuhaus bei der Reichsnährstandsausstellung in Leipzig, Juni 1939,

Speerwerfende Schülerin der Reichsschule Burg Neuhaus bei der Reichsnährstandsausstellung in Leipzig, Juni 1939 (Ausschnitt)

NACHLASS ANNA KOPPITZ

Kulturjournal, 5.4.2016

Anna Koppitz kannte man bisher vor allem als Witwe und Nachlassbetreuerin ihres Mannes Rudolf Koppitz. Der galt mit seinen Akt- und Tanzaufnahmen als einer der führenden Wiener Kunstfotografen der Zwischenkriegszeit. Jüngste Forschungen haben nun gezeigt, dass auch die erst 1989 verstorbene Anna Koppitz ein umfangreiches Werk geschaffen hat. Leider stellte sie einen bedeutenden Teil ihrer Arbeit in den Dienst der nationalsozialistischen Rassenpropaganda. Die Ausstellung "Im Dienst der Rassenfrage" im Wiener Photoinstitut Bonartes zeigt nun wie eng ihre Kollaboration mit dem NS-Landwirtschaftsminister und Rassenideologen Richard Walther Darré war.

Fotos für Darrés Propagandaschriften

Richard Walther Darré sah im Bauernstand die Zukunft der nordischen Rasse. Schon 1930 ernannte ihn Hitler deshalb zum Agrarexperten der NSDAP mit dem Auftrag, die ländliche Bevölkerung für die noch vorwiegend urbane nationalsozialistische Bewegung zu gewinnen. In Propagandaschriften wie "Das Zuchtziel der deutschen Rasse" und "Neuadel aus Blut und Boden" entwickelte Darré seine Ideen der Rassenhygiene und Rassenzucht. Weil er für die Illustration dieser Machwerke Fotomaterial benötigte, meldete er sich bei Anna Koppitz.

"1939 kontaktiert er sie im Glauben, dass ihr Mann, der berühmte Kunstfotograf Rudolf Koppitz, noch am Leben war", erzählt Kuratorin Magdalena Vukovic. Darré schwebten allerdings nicht die nostalgischen Fotografien vor, die Rudolf Koppitz von bärtigen, Pfeife rauchenden Altbauern gemacht hatte, ihm lag an einem neuen Bauernbild.

NS-Eliteschule für bäuerliche Jugend

"Ich habe ihrem Minister gerne die Zusage gemacht in der Blutsfrage mitzuarbeiten und hoffe ihn nicht zu enttäuschen", schrieb Anna Koppitz auf dem Weg nach Burg Neuhaus, nahe der deutschen Stadt Wolfsburg, wo die Fotos entstehen sollten. Dort hatte Darré eine Eliteschule für die bäuerliche Jugend ins Leben gerufen.

Anna Koppitz lichtete die Jungbäuerinnen in kurzen und hautengen Trikots ab. Speerwerfend oder in einer gymnastischen Figur eingefroren, standen sie vor dramatischen Wolkenformationen. Doch Darré wollte mehr und forderte von Anna Koppitz Aktaufnahmen der Mädchen. Da das NS-Regime jegliche Erotik ablehnte, formulierte er seinen Auftrag an Koppitz so: "Der Bildstoff muss körperbejahend aber nicht geschlechtlich, sinnenfroh, aber nicht sinnlich sein." Es zeigte sich aber, dass das von Darré propagierte körperliche Ideal in der Realität kaum zu finden war.

War Anna Koppitz nun eine geltungssüchtige und profitorientierte Mitläuferin oder selbst eine überzeugte Nationalsozialistin? Immerhin hatte sie knapp nach dem Anschluss und noch vor ihrem Kontakt mit Darré bereits auf dem Nürnberger Reichsparteitag fotografiert und diese Bilder veröffentlicht.

Darré - ein "unpolitischer Bauernromantiker"

Darré wurde 1942 übrigens seines Ministerpostens enthoben und positionierte sich, als ihm nach dem Krieg der Prozess gemacht wurde, erfolgreich als "unpolitischer Bauernromantiker". 1949 wurde er wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zwar zu sieben Jahren Haft verurteilt, der ewig Gestrige kam aber 1950 schon wieder frei und kontaktierte bald darauf abermals Anna Koppitz.

"51 hat er sich noch einmal an sie gerichtet", sagt Magdalena Vukovic, "da er nach dem Prozess offensichtlich keine Fotos mehr aus Burg Neuhaus gehabt hat, und hat sie gebeten, ihm neues Material zuzuschicken. Aber von einer Kollaboration nach dem Krieg wissen wir nichts."

Ebenso wenig ist bekannt, ob Anna Koppitz jemals Stellung bezogen hat zu ihrer Propagandaarbeit für das NS-Regime. Umso erfreulicher ist es da, dass ihr Nachlassverwalter Klaus Tavs den Historikern sämtliche Materialien ohne jeden Vorbehalt zur Verfügung stellte.

Service

bonartes - "Im Dienst der Rassenfrage" - Anna Koppitz' Fotografien für Reichsminister R. Walther Darré

Die Ausstellung wird heute Abend um 19 Uhr eröffnet und ist bis 8. Juli 2016 zu sehen.