Essay von Klaus Moser

Donaufestival 2008-2016

Klaus Moser ist seit 2007 im Team des donaufestivals. Er ist für das donaufestival als musikalischer Konsulent und für die Niederösterreichische Kulturwirtschaft NÖKU im Bereich Kommunikation und Marketing tätig.

Das donaufestival ist ein Kunstfestival an den Schnittstellen von experimenteller Musik, Performance, bildender und Medienkunst. Der künstlerische Leiter Tomas Zierhofer-Kin hat das Festival in den letzten zwölf Jahren sehr markant positioniert: es hat sich national und international etabliert. Dabei ist das Publikum mitgewachsen und kommt nicht nur wegen der Konzerte, sondern besucht auch die Ausstellungen und Performances und nimmt so das Festival ganzheitlich wahr.

2016 wird die letzte Edition unter der Leitung von Tomas Zierhofer-Kin sein. Das macht mich persönlich traurig. Wir sind jedoch sehr glücklich mit der Bestellung von Thomas Edlinger, Journalist, Radiomacher, Ausstellungskurator und Schriftsteller. Für mich ist Thomas Edlinger ein Intellektueller, der nicht nur Fachmann im Bereich der experimentellen Musik, sondern auch in der zeitgenössischen Kunst ist. Mit Betty Kogler konnten wir zusätzlich eine ausgewiesene Kennerin der Performance-Szene gewinnen.

Wenn ich die Jahre 2008 bis 2015 Revue passieren lasse, gibt es viele Projekte und Konzerte, die mir nachhaltig in Erinnerung geblieben sind:

2008: "Angst – Obsession – Beauty"

Der Tabubruch als moralischer Akt: Ein Postulat von Georges Bataille fand sich in weitergedachter Form in Produktionen wieder, die Angst, Obsession, Exzess und Opferritual am eigenen Körper als kathartische Elemente benutzen.

Ron Athey

Besonders ist mir die Performance des Bodyart-Künstlers Ron Athey in Erinnerung geblieben, in der er sich langsam mit einer Bürste eine mit Nadeln an der Kopfhaut befestigte blonde Perücke vom kahlrasierten Kopf heruntergebürstet hat. Das Blut ist dabei langsam von der Stirn über seinen nackten, muskulösen und tätowierten Körper heruntergetropft. Anschließend hat er das Blut, auf dem Rücken liegend, mit einer Glasscheibe auf seinem Körper verschmiert und das Publikum wusste nicht, ob er nun auch das Glas zerbersten wird. Ein Anblick, bei dem viele den Raum verlassen mussten - ich auch. Er präsentierte ein Opferritual am eigenen Körper, dessen kathartische Wirkung die Fesseln, die dem Individuum von Staat, Familie, Gesellschaft und Geschlecht auferlegt werden, lösen sollen.

Toxic dreams

Ein weiterer Höhepunkt war die österreichische Performancegruppe toxic dreams mit "The Mystery Of The Enchanted Cars". "Ich glaube, dass das Auto heute das Äquivalent zu den großen gotischen Kathedralen ist." So beschrieb Roland Barthes im Jahr 1957 den neuen Citroën und bezeichnete das Auto als die krönende Pracht unserer Zivilisation. Die Autos von toxic dreams fuhren jedoch nirgendwo hin, die Abwesenheit von Geschwindigkeit machte sie zu Junk. Sie wurden zu Wohnzimmern, Performanceräumen, vorübergehenden Bühnen, Beichtstühlen, intimen Konzerthallen, Soundkammern und mehr, umgebaut und von österreichischen KünstlerInnen wie etwa Didi Kern bespielt. Ein Junk-Hof der Performance Art.

Health, Naked Lunch & Thomas Woschitz, Fischerspooner

Musikalisch überzeugten Health, die jungen Wilden aus L.A., mit ihrem grandiosen Noise-Mix, leidenschaftlichen Walls of Sound und einer unverwechselbaren Soundästhetik.

Ebenfalls gut in Erinnerung blieb die Uraufführung "Universal Love" von Naked Lunch und Thomas Woschitz, bei der Naked Lunch den Film von Woschitz, der eine globale Geschichte über die Liebe erzählte, live vertonten.

Die New Yorker Performancekünstler und Musiker Fischerspooner präsentierten zum Abschluss in den Hallen ein DJ-Set. Leider hat die Polizei den Abend zu früh abgebrochen. Wir sind dann mit Casey Spooner in den Jazzkeller in der Altstadt von Krems gefahren und haben dort das Festival ausklingen lassen.

2009: "Fake Reality"

Ziel war, mit unterschiedlichen künstlerischen Medien und Positionen auf die Unwirklichkeit der Wirklichkeit unserer Zeit zu reagieren. In diesem Jahr habe ich begonnen, als Musikkurator bzw. musikalischer Konsulent für das donaufestival tätig zu sein.

Sonic Youth, Goblin, Spiritualized, Aphex Twin, Planningtorock

Größen wie Sonic Youth oder The Bug sind unserer Einladung gefolgt. Aber auch der symphonische Prog-Rock und die psychedelische Electronica von Goblin (Soundtrack zu Dario Argentos Horrormovies) und Chrome Hoof mit ihrer Prog-Doom-Disco blieben mir sehr positiv in Erinnerung. Jason Pierce hat mit Spiritualized psychedelische Mauern aus dröhnenden Gitarren aufgetürmt, die sich mit Gospelchören gepaart haben.

Oder Aphex Twin: ein DJ-Set des kultisch verehrten Richard James, der die elektronische Musik der 90er Jahre mit seinem experimentell verschachtelten Techno und mit infernalen Break-Beats entscheidend geprägt hat.
Auch Planningtorocks "Black Thumber" war grandios. Sie präsentierte ihre exzentrischen Pop-Kompositionen und war auf der Bühne von Kopf bis Fuß in ihre 3D-Video-Visionen eingehüllt.

Antony & CocoRosie

Antony Hegarty verzauberte mit verdunkelter Naturromantik und einer androgynen, engelsgleichen Stimme. Seine Sisters in Crime CocoRosie, die Casady-Schwestern, erzählten ihre Geschichten aus der von geisterhaften Tierwesen und Regenbogenkriegern bevölkerten Zwischenwelt, durchsetzt von queer-burlesquer Romantik.

AES+F

Ein weiteres Highlight war "Last Riot", eine Installation von AES+F, die bereits auf der Biennale in Venedig für Aufsehen gesorgt hatte. Leicht bekleidete Teenager schlugen sich in dieser 3D-Animation die Schädel ein, ohne dabei die Miene zu verziehen bzw. ohne dass Blut floss. Es waren Rebellen eines letzten Aufstandes, in dem jeder gegen jeden kämpfte – ein Endzeitdrama zur Musik aus Richard Wagners "Götterdämmerung".

2010: "Failed Revolutions"

Tomas Zierhofer-Kin schrieb im Vorwort: "Jeder revolutionäre Gedanke verkommt bereits im Keim zur modischen Applikation, weil ihm der Nährboden unter den Füßen abgegraben wird."

"Iceland Hits Danube"

In der Ausstellungsreihe von Franz Graf entstand ein performativ-musikalisches Großprojekt: Mit "Iceland Hits Danube" hat der Künstler zusammen mit Franz Pomassl wesentliche VertreterInnen des isländischen Kunst-Netzwerks in die Kunsthalle Krems, die Messehallen und den Klangraum Minoritenkirche eingeladen. Howie B, Húbert Nói, Pomassl & Borgar Magnason und Ghostigital mochte ich mit seinem spleenigen Charme sehr gern. Finnbogi Petursson schuf eine sehr poetische Klanginstallation.

Xiu Xiu & Deerhoof, Glenn Branca, Fuck Bottons

Xiu Xiu & Deerhoof interpretierten Joy Divisions Album "Unknown Pleasures". Jamie Stewart, mittlerweile ein Freund des Festivals, hat sich mit diesem Projekt einen lang gehegten Traum realisiert.

Toll war Glenn Branca, der mit der halluzinatorischen Qualität seines Lärmspektakels und mit ungewöhnlichen Gitarren-Tunings viele Bands weltweit (u.a. Sonic Youth) beeinflusst hat. Und auch Fuck Buttons, deren Noise eine fast schon physische Präsenz zeigte, waren großartig: Während ihres Auftritts hat die Kleidung am eigenen Körper vibriert.

2011: "Nodes, Roots & Shoots"

Unter diesem Motto rückte 2011 ein inhaltliches Gestaltungsprinzip des Festivals als Titel in den Vordergrund. Knoten, Wurzeln und Triebe – Begriffe aus der pflanzlichen Anatomie, die auch Symbole für Schaltstellen künstlerischer Netzwerke sind. Neben der Darstellung ästhetischer und gedanklicher, weltweiter Verflechtungen war es dem Festival seit 2005 ein Anliegen, Vernetzungen über Genregrenzen und Medien hinweg zu erzeugen und zu ermöglichen.

Netzwerke: Ben Frost

Dabei blieb mir besonders das Netzwerk von Ben Frost in Erinnerung, namentlich Rhys Chatham, Valgeir Sigurdsson & Puzzle Muteson, Tim Hecker und Chris Watson. Tim Hecker, ein alltime favourite von mir, stellte in der Evangelischen Kirche in Krems sein neues elektronisches Orgel-Projekt vor. Wir verwendeten keine zusätzliche Beleuchtung. Während die Sounds des kanadischen Klangkünstlers immer dichter wurden, ist die Sonne langsam untergegangen und die Kirche wurde immer dunkler. Dieses Konzert war wahrscheinlich eines meiner donaufestival-Highlights überhaupt.
Chris Watson präsentierte in der Kunsthalle eine Soundinstallation mit Field Recordings von kalbenden Eisbergen. Das Publikum lag auf Pölstern auf dem Boden der zentralen Halle und schaute auf eine großformatige Leinwand mit unglaublichen Bilder aus der Arktis, während Watson düster schöne Soundscapes präsentierte.

Vinyl Rallye

Der Australier Lucas Abela (aka Justice Yeldham) errichtete als DJ Smallcock mit seiner "Vinyl Rallye" eine riesige Installation in Form einer aus altem Vinyl bestehenden Autorennbahn, die vorgab, eine Art Computerspiel im Realraum zu sein und in Wirklichkeit eine partizipative, experimentelle Konzeptkunst-Partitur war. Dafür starteten wir einen Aufruf und sammelten im Vorfeld 10.000 Platten!

Laurie Anderson

Sie war eine Künstlerin, die mich nachhaltig beeindruckt hat. Laurie Anderson hat sich sehr für das gesamte Festival interessiert, wollte die Ausstellungen sehen und hat sich so viele Shows wie möglich angesehen. Wir haben uns viel mit ihr unterhalten, sie hat Interviews gegeben und viele Geschichten erzählt. Sie gab ein großartiges Konzert. Sie ist eine legendäre Geschichtenerzählerin.

2012: "Die Vertreibung aus dem Paradies"

Die Erschaffung von wundersamen Paradiesen an den Schnittstellen von Installation, Medienkunst, Live-Film, Figurinen-Theater und Performance war das Markenzeichen des niederländischen Kollektivs Hotel Modern. Der Stadtsaal verwandelte sich in ausufernde Miniaturwelten, in ein Live-Filmstudio für die Produktion intermedialer Komik zwischen Apokalypse, Science-Fiction und Garnelenparadies. Mithilfe von Garnelen wurden Leben und Tod nachgestellt und auf die Videowalls des Stadtsaals projiziert. Eine überaus witzige Performance!

God's Entertainment, Chris Cunningham, Scout Niblett & Lapdog of Satan

Neben der performativen Installation von John Bock und den CocoRosie-Exkursen in Musik- und Tanztheater verführten uns God's Entertainment zu einer künstlerisch-touristischen Entdeckungsreise in die Wachau, die bislang ungeahnte Sehenswürdigkeiten der Region offenbarte – wie das Grab von Jim Morrison, die heilige Maria von Medjugorje u.v.m.

Der Videokünstler Chris Cunningham hat mit seinem AV-Set seine Wirkung nicht verfehlt.

Von den vielen CocoRosie-Projekten aus diesem Jahr war Scout Niblett mit Lapdog of Satan mein eindeutiges Highlight. Sie hat den drögen Begriff des Singer/Songwritings giftig entstaubt und mit den Schoßhunden Satans, die eher aus der Trash-Metal-Ecke stammen, eine dunkle Messe im Klangraum zelebriert, von der donaufestival-Besucher bis heute sprechen.

2013: "Krèms brûlée"

In diesem Jahr haben wir die Schnittstellen zwischen Experiment und Subkultur, zwischen Klangkunst und Clubkultur untersucht. Unter anderem mit Hilfe der Kuratorin Gabrielle Cram.

Saint Genet

Nachhaltig in Erinnerung blieben mir Saint Genet mit ihrer Uraufführung von "Paradisiacal Rites". Ryan Mitchell, ein Grenzgänger, der sich in einer anderen Performance mit einem Gewehr aus fünf Meter Entfernung in den Oberarm schießen ließ, hat mit seinem MitstreiterInnen das Forum Frohner in ein Kornfeld verwandelt, das mit kinetischen Skulpturen durchsetzt war. Mit Blutegeln, Wein und Honig ist er mit TänzerInnen, MusikerInnen und PerformerInnen an physische und psychische Grenzen geraten.

"Operation Otto Retter"

Hans Peter Litscher war mit seiner "Operation Otto Retter" grandios. Wie ein Baron Münchhausen hat er das donaufestival-Publikum durch einen Parcours geleitet und dabei die unglaublichsten, oft haarsträubendsten Geschichten des angeblichen Wahl-Kremsers und Gesamtkunstwerks Otto Retter erzählt. Selbst für Freunde des Festivals war lange nicht klar, ob es diesen Otto Retter gegeben hat oder nicht. Natürlich hat es ihn gegeben!

Michael Rother

Musikalisch fand ich Michael Rother spannend, der Stücke von NEU!, Harmonia und ausgewählte Solo-Arbeiten präsentierte. Der Gitarrist der Urformation von Kraftwerk hat das Genre des Krautrock geprägt wie kaum ein anderer. Außerdem war er ein sehr sympathischer und erfrischender Mensch.

Label-Nächte: Tri Angle und PAN

2013 haben wir mit den Label Nights begonnen. Sehr gut war die Tri-Angle-Nacht mit dem Horror-Ambient von The Haxan Cloak, Wife und Evian Christ. Letzterer ist wieder für 2016 eingeladen. The Haxan Cloak hat letztes Jahr ein brachiales Werk mit der Band The Body veröffentlicht. Diese sind definitiv auf meiner Wunschliste für die Folgejahre.

Auch der PAN-Label-Nachmittag mit Lee Gamble, Helm, SND und NHK Koyxen war toll.

William Basinski, Philipp Quehenberger

Die sich immer dichter auftürmenden Schichten der Tape-Loops von William Basinski oder das Live-Improvisations-Set von Philipp Quehenberger im Klangraum blieben mir nachhaltig in Erinnerung.

The Gaslamp Killer, Death Grips

Der hyperkreative und -aktive The Gaslamp Killer hat mit seinem psychedelischen, runter- und raufgepitchten HipHop den Stadtsaal zerlegt. Ich habe dann ein Jahr später auf Empfehlung von Susanna Niedermayr vom Ö1 "Zeit-Ton" seinen HipHop-Club in Los Angeles besucht; eine definitive Empfehlung.

Für mich war Death Grips das Größte, das ich in diesem Jahr gesehen habe. Sie waren unberechenbar, auf dem höchsten Energie- und Lautstärkenlevel und lieferten eine unglaublich intensive Show. Wir hatten alle Angst.

2013 war wohl eine der spannendsten Ausgaben des donaufestivals. Wir haben zwar überprogrammiert und so das Publikum mit vielleicht zu vielen Acts konfrontiert. Im Nachhinein betrachtet war es jedoch auf allen Ebenen die anspruchsvollste Edition.

2014: "10 Years Redefining Arts"

In diesem Jahr haben wir mit der zentralen Strategie des Umwertens und Neudefinierens einen Relaunch durchgeführt. Umwerten im Sinne der Schaffung eines Podiums, auf dem neue Kunstformen Phänomenen der Subkultur auf Augenhöhe begegneten.

Dries Verhoeven, God's Entertainment

Die Highlights: Dries Verhoeven mit "Ceci n'est pas… 10 Ausnahmen von der Regel". Der niederländische Theatermacher präsentierte zehn Abweichungen von der Norm, die in Glasvitrinen in der Kremser Fußgängerzone ausgestellt wurden. Menschen in bewegten Szenen. Bilder, die Unvollkommenheit und Schwäche symbolisierten und weitgehend aus der öffentlichen Erscheinung verbannt wurden. Bilder von Tabus und Ängsten. Es gab fast jedes Jahr Projekte, die auf Widerstand gestoßen sind. Bei Verhoevens Projekt hat sich z.B. der rechte Rand echauffiert und uns auf den Social Media-Kanälen angegriffen. In all den problematischen Situationen hat Tomas Zierhofer-Kin mit den richtigen Worten und Argumenten die Projekte verteidigt bzw. unsere Kritiker überzeugt.

God's Entertainment präsentierten den "Human Zoo": "Echte Menschen in echten Käfigen" mit Randgruppen wie Punks oder Prostituierte. Die Gitterstäbe haben dabei die gesellschaftlichen Barrieren verdeutlicht.

Morphine Records

Der Morphine Records Label-Nachmittag mit Labelchef Rabih Beaini aka Morphosis & und dem Meister der Improvisation am Synthesizer, Charles Cohen, war ein weiterer Höhepunkt dieser Edition.

Pharmakon

Pharmakon mit ihrem harschen Sound war sensationell, eine Entdeckung, die wir für das donaufestival erstmals nach Österreich holten. Darin liegt auch meine kuratorische Motivation: Es geht mir darum, KünstlerInnen, die neue Sounds erschaffen, zu entdecken und nach Österreich zu holen.

2015: "Rebuilding The World"

Das wohl erfolgreichste Jahr: fünf von sechs Tagen waren ausverkauft!

Rimini Protokoll

Überzeugt haben Rimini Protokoll, die in "Situation Rooms" mit einem multimedialen High-Tech-Rollenspiel in die Welt der unendlichen Verstrickungen der globalen Waffenindustrie entführten. Mit IPads ausgestattet, begaben sich die BesucherInnen auf individuellen Fährten in das räumliche und inhaltliche Labyrinth des Stücks und wurden Teil des Re-Enactments.

Ben Frost, Grouper

Musikalisch umwerfend fand ich einmal mehr Ben Frost. Und auch Grouper, für die Raum, Klang, Nebel, Hall, Wispern und Dröhnen die wichtigsten Forschungsthemen darstellen.

Netzwerke: klingt.org

Österreichische Netzwerke waren und sind uns ein wichtiges Anliegen: 2015 präsentierten wir das klingt.org-Netzwerk. Wir haben Dieter Kovačič eingeladen, einen Nachmittag zu kuratieren. Herausragend dabei war das Auftragswerk von Peter Kutin.

Arca

Meine persönliche Entdeckung 2015 war Arca. Ich war auch ein wenig stolz, dass wir ihn überzeugen konnten, beim donaufestival aufzutreten. Außer dem donaufestival hatte er alle Europa-Shows im Frühjahr gestrichen. Das Line-up an diesem Tag war genau auf ihn abgestimmt und deshalb hat er auch zugesagt. Der venezolanische Produzent hat mit seinen Überbleibseln aus elektronischem R’n’B und windschiefen HipHop-Beats eine neue Soundästhetik geschaffen, die ich so noch nie gehört habe. Er hat für Björk und FKA Twigs produziert und ist mittlerweile ein Weltstar.

Ausblick 2016: "Niemand hat euch eingeladen"

Das aktuelle donaufestival versteht sich als Manifest der Nicht-Norm, des anderen, des postkolonialen Blicks auf eine Welt des Grauens. Aber die Statements unserer KünstlerInnen sind auch Ausdruck von Hoffnung und Utopie, ein Appell zu einem neuen Denken, Handeln und Empfinden.

Mbongwana Star, Stefan Fraunberger

Mbongwana Star aus Kinshasa präsentieren treibende Afrobeats, Perkussionsfinkeleien und raue Gitarrenriffs.

Stefan Fraunberger fusioniert in seinem Auftragswerk "barzakh" (Zwischenbereich/Jenseits) die Klänge der persischen Santur mit Field Recordings, die in Syrien, Pakistan und im Irak entstanden. Sein Solowerk habe ich 2015 kennengelernt. Fraunberger hat mit der Santur, der persischen Version eines Hackbretts, eine Ausstellung in einer Galerie in Wien eröffnet. Für mich ein magischer Moment, der dazu führte, dass wir ihn um ein Auftragswerk für 2016 baten.

"Complex"

Begleitend zum postkolonialen Thema des heurigen donaufestivals habe ich auf einer Reise in den Iran im November 2015 die persische Kultur vor Ort kennengelernt. Dabei hat mir die österreichische Künstlerin Marlies Pöschl entscheidende Tipps und Kontakte zu zeitgenössischen KünstlerInnen in Teheran und Esfahan gegeben. Es war unglaublich, wie lebhaft die Kunstszene vor allem in Teheran ist. Dort hat Pöschl während eines Artist-in-residence Programmes eine Videoarbeit geschaffen, die sie beim donaufestival unter dem Titel "Complex" präsentieren wird. Der Sound wird von Manuel Riegler beigesteuert. Die Arbeit am weiblichen Körper steht im Mittelpunkt dieser Installation, der Körper selbst bleibt jedoch abwesend. Ausgehend von Field Recordings, die in – nach Geschlechtern getrennten – Sportkomplexen in Teheran aufgenommen wurden, kreiert Riegler vielschichtige auditive Narrationen, die Pöschls Aufnahmen von leergefegten Räumen Leben einhauchen.

Fatima Al Qadiri

Besonders freue ich mich auf die aus Kuwait stammende Fatima Al Qadiri. Sie schafft es einmal mehr, zeitgenössischen Kunstdiskurs und Gesellschaftskritik mit ihrer musikalischen Arbeit zu verknüpfen. Nach ihrem vielgerühmten Debüt "Asiatisch" wird sie anlässlich ihrer Neuveröffentlichung "Brute" auf Hyperdub mit einem DJ-Set neues sowie altes Material vorstellen.

Rashad Becker & Alarm Will Sound, Babyfather, Manuel Knapp

Es gibt einen Auftritt von Rashad Becker, der mit Mitgliedern des legendären New Yorker Ensembles Alarm Will Sound ein Spezialprojekt im Klangraum präsentieren wird.
Dean Blunt kehrt mit seinem neuen Projekt Babyfather zum donaufestival zurück.
Die Auftragsarbeit des österreichischen Noise-Berserkers Manuel Knapp erwarten wir ebenfalls mit Spannung.

Le1f, Angel-Ho, One Man Nation

Der schrille HipHop von Le1f am 6. Mai richtet sich gegen Homophobie und Rassismus und klingt gleichzeitig sexy und witzig.

Sehr vielversprechend ist für mich der südafrikanische Künstler und Labelbetreiber Angel-Ho, der ebenfalls am 6. Mai auftritt. Er verfolgt mit zeitgenössischer Clubmusik eine politische Agenda mit dem Ziel, hegemoniale Strukturen zu durchbrechen und Reste kolonialer Mentalität zu entlarven und zu zerstören.
Die erklärte Absicht von Tara Transitorys Musikprojekt One Man Nation ist es, Grenzen zu sprengen. Ihre Live-Auftritte gleichen akustischen Séancen. Sie sollen in einen Zustand kollektiver Trance versetzen und eine Out-Of-Body-Erfahrung auslösen, in der sich Körper und Selbst aufzulösen beginnen. Ich habe sie 2015 im Wiener rhiz das erste Mal live erlebt und kennengelernt. Sie hat u.a. auf dem österreichischen Label Moozak veröffentlicht.

Easter

Das Art-Pop-Projekt Easter liefert den authentischen After-Hour-Soundtrack zu durchgefeierten Nächten in den dunklen Clubs Berlins. Dort habe ich sie beim CTM Festival zum ersten Mal live erlebt. Easter sind großartig.