Andre Heller: "Das Buch vom Süden"

Nächstes Jahr wird er siebzig, ein Alter, in dem andere längst die Früchte ihrer Pension genießen. Im Falle des Wiener Universalkünstlers Andre Heller ist davon keine Rede: Im Burgtheater wird am Montag "Das Buch vom Süden" vorgestellt, ein Roman, in dem Heller die Summe seines künstlerisch-literarischen Lebens zieht.

Mittagsjournal, 29.4.2016

"Österreich ist ein Ausstellungsgebäude für geistige Hintertüren." Das ist nur eines von vielen Apercus, mit denen Andre Heller in seinem "Buch vom Süden" prunkt, einem Roman, an dem der Universalkünstler viele Jahre lang mit Verve und Zähigkeit gearbeitet hat, wie man hört.

Lebensgeschichte Julian Passauers

Erzählt wird die Lebensgeschichte Julian Passauers: Julian wächst als Sohn einer jüdischen Wiener Familie in der väterlichen Beamten-Dienstwohnung in Schloss Schönbrunn auf. Der Vater, ein Zoologe, ist Vizedirektor des Naturhistorischen Museums, und wie sein Erzeuger hegt auch Julian eine Obsession für die Länder des Südens, nach denen er sich bereits als junger Mensch nach Kräften verzehrt. Vieles an Julians Biografie erinnert an die Biografie Andre Hellers.

Der Autor hebt aber vor allem die Unterschiede hervor: "Es ist ein fleißiger Taugenichts, und ich bin ein manischer Verwirklicher. Also insofern sind wir schon weiter auseinander, als man glauben könnte, wenn man nicht ganz genau hinschaut. Aber man schreibt ja nur über Dinge, die einem irgendwo da draußen oder in sich selber begegnen, und das ganze Personal dieses Buchs, die ganzen Situationen dieses Buchs, hätten sein können."

Lysolgeruch im Felberkino

Andre Hellers Roman ist prallvoll mit detailgesättigten Erinnerungen an das Wien der 50er und frühen 60er Jahre: Der Geschmack von Privoznik-Kracherl wird da ebenso heraufbeschworen wie der Lysolgeruch im Felberkino und die Schmalfilmvorführungen des Haiforschers Hans Hass in der Urania. Er habe viele persönliche Reminiszenzen eingebaut in seinen Roman, bekennt Heller, wenn auch etwas verfremdet. So sei er selbst in hochprivilegierten Verhältnissen aufgewachsen.

"Wir waren nach dem Krieg sehr wohlhabend: Wir hatten quasi eine Gelddruckmaschine, nämlich eine Schokoladen- und Zuckerlfabrik, das war wie Nylonstrümpfe oder Zigaretten nach dem Krieg", erzählt Andre Heller. "Ich bin in die Volksschule gegangen mit Kindern, die in Zelten gewohnt haben, Ausgebombte. Und wir haben gewohnt in einem Adolf-Loos-Haus, das der Loos für meine Großmutter errichtet hat, mit Dienerschaft und Chauffeur und Stubenmädel und Hausmeisterin und Gärtner. Es waren grundsätzlich andere Eindrücke, die ich erfahren habe, als alle anderen in meiner Generation, die ich jemals getroffen habe."

Es ist ein charmanter Roman, den Andre Heller, da vorgelegt hat: sprachverliebt, ironisch, von altösterreichischer Eleganz, mit einem Schuss felliniesker Burleskheit versetzt vielleicht. "Das Einzige, wovon ich überzeugt bin, ist, dass es einem nicht fad wird", so Andre Heller. Da liegt er sicher richtig. Sein "Buch vom Süden", erschienen bei Zsolnay, wird am 9. Mai in die Buchhandlungen kommen.

Service

Andre Heller, "Buch vom Süden", Zsolnay
Burgtheater - Buchpräsentation am Montag, den 2. Mai 2016