Bibelessay zu Johannes 16, 12 – 15
Nach den fünfzig Tagen der Osterzeit, in der die Christen die Auferstehung Christi feiern , und die mit dem Pfingstfest, der Aussendung des Geistes Gottes abschließt, begehen die Kirchen des Westens an diesem Sonntag das Fest der Dreifaltigkeit Gottes.
8. April 2017, 21:58
Dieser Dreifaltigkeitssonntag sprengt den heilsgeschichtlichen Rahmen von Weihnachten, Ostern und Pfingsten, dieser Sonntag könnte als „theologische Klammer“ bezeichnet werden. Schon seit dem 6. Jahrhundert kam diesem Fest eine besondere Bedeutung zu.
Es geht um eine Grundaussage über Gott und doch zugleich um das Nicht-Sagbare, Nicht-Aussprechbare und Nicht-Definierbare: Wer ist dieser Gott? Wie begegnet Gott dem Menschen? Wo lässt sich Gott finden? Wie kann er benannt und angesprochen werden? Schreibt der biblische Gott, von dem die Schriften des Alten und des Neuen Bundes und besonders die Evangelien reden, Geschichte? Ist diese Geschichte Gottes mit den Menschen nicht viel mehr eine Unheilsgeschichte als eine Heilsgeschichte?
Mit diesem Tag, mit dem die Kirche das Wesen des dreifaltigen Gottes feiert, tun sich mir sehr viele Fragen auf. Je mehr ich Gott suche, umso mehr muss ich mit ihm ringen, umso mehr muss ich ihn hinterfragen. Und ich weiß zugleich, dass die ganze Menschheitsgeschichte, das Fragen und Hinterfragen der Philosophen und der Theologen nichts anderes ist, als ein Eingespanntsein zwischen Zweifeln, Verlieren und Finden, wenn es um Gott geht. Wie kann ich überhaupt von Gott reden in einer dürftigen Zeit und in einer aufgeriebenen Welt? Wie kann ich Gott vor dem Vergessen in meinem Leben bewahren?
Anders als im persönlich existenziellen Ringen verhält es sich in der Gesellschaft, besonders auch in der christlichen europäischen Gesellschaft, die heute so oft strapaziert wird. Die Frage, ob dieser Gott der Bibel, dieser Gott Jesu Christi für eine erhebliche Zahl der Europäer, die in einer christlichen Tradition aufgewachsen sind, nicht ein unbekannter und fremder Gott ist und bleibt, ist legitim. Sind viele meiner Zeitgenossen nicht gerade dabei, auf dem Marktplatz der Spätmoderne mit Kitsch, Aberglauben, Engelswelt und subjektiv bestimmter Frömmigkeit, die Abwesenheit Gottes zu unterstreichen, Gott zum Schweigen zu bringen?
Karl Barth, einer der größten evangelischen Theologen, hat nach langem Nachdenken und persönlichem Ringen einen ganz einfachen Satz formuliert: „Gott spricht!“- „Deus dixit!“ Mit diesem einfachen Satz beginne die Lehre von der Dreifaltigkeit Gottes. Gott spricht, er spricht vom Anfang bis zum Ende dieser Menschheitsgeschichte, er sendet sein schöpferisches Wort aus, das geistvoll ist und Leben schafft und letztlich können alle Versuche, dieses Wort zum Verstummen zu bringen, es zu töten, nur scheitern. Das Wort und der Geist, in denen Gott schöpferisch wirkt, sind nicht selbst erschaffen, sie gehören auf die Seite Gottes.
Wenn es wirklich um Gott geht, braucht der Mensch, dieses kleine Wesen, viel Geduld. Ich glaube aber fest daran, dass vor allem Gott mit mir, diesem kleinen Wesen, diesem Sucher und Zweifler, viel Geduld hat. Er wird mir, daran glaube ich fest, seinen Heiligen Geist schenken, damit ich mich auf den Irrwegen des Lebens und Denkens letztlich nicht verlaufe. Das Wort des Auferstandenen im heutigen Sonntagsevangelium hat in diesem Zusammenhang für mich und für alle, die diesen Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, diesen Gott Jesu Christi suchen, besondere Aktualität: „Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen. Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in die ganze Wahrheit führen.“
Einer der großen Zeitgenossen, der Literat Martin Walser hat gesagt: „Wer sagt, es gebe Gott nicht, und nicht dazusagen kann, dass Gott fehlt und wie er fehlt, der hat keine Ahnung. Einer Ahnung allerdings bedarf es.“
Ich wünsche mir und Ihnen eine Sehnsucht nach Gott, eine Ahnung von Gott, aber keine einfachen und schnellen Antworten!