Architekturbiennale zeigt "Orte für Menschen"

Der diesjährige Österreichbeitrag zur Architekturbiennale in Venedig findet überwiegend in Wien statt. Unter dem Eindruck der aktuellen Fluchtbewegungen sowie der Frage, ob die Biennale in digitalen Zeiten überhaupt noch eine adäquate Plattform ist, hat die Architektin und Biennale-Kommissärin Elke Delugan-Meissl für ihr Projekt "Orte für Menschen" drei Architektur- und Designbüros mit Interventionen in Flüchtlingsunterkünften in Wien beauftragt.

Elke Delugan Meissl

Elke Delugan-Meissl im Gespräch mit Ö1 Redakteurin Sabine Oppolzer

ORF/JOSEPH SCHIMMER

Im Journal zu Gast

Die Kommissärin der Architekturbiennale in Venedig, Elke Delugan-Meissl

Der Prozess ist seit einigen Monaten am Laufen, die Ergebnisse thematisieren die Herausforderung, Architektur dezidiert als soziales Instrument zu gebrauchen und versuchen auf unterschiedlichste Weise, das Leben von Asylwerbern in provisorischen Unterkünften zu verbessern.

"Architektur soll sprechen, wenn sie gefragt wird", zitiert Delugan-Meissl im Ö1 Journal-Interview ihren Kollegen Hermann Czech. Ihr gehe es bei den ausgewählten Projekten weniger um die Hardwäre, als um die Softwäre – das heißt nicht in erster Linie um gebaute Strukturen, sondern deren Nutzung. Obwohl selbst mit zahlreichen Projekten im Luxussegment angesiedelt, wie dem Porschemuseum in Stuttgart, interpretiert Elke Delugan-Meissl Architektur als Kommunikationsmittel. Ihre zentrale Aufgabe bestehe darin, Kommunikationszonen zu ermöglichen.

Zwei Frauen an einer Pinwand

Mitarbeiterinnen von EOOS in ihrem Büro, das direkt on location eingerichtet wurde, um den kontinuierlichen Dialog mit den Klient/innen und Betreiber/innen für den Entwurfsprozess nutzen zu können.

Paul Kranzler

Im Ö1 Gespräch betont Elke Delugan-Meissl vor allem den Gemeinschaftsaspekt des Projekts. Die Etablierung auch nur kleinster Rückzugsmöglichkeiten inklusive intimer Sanitäreinrichtungen sei für die betroffenen Menschen in ihrer aktuellen Situation ein zwar nicht zu unterschätzender Luxus. Die klassischer Zellenstruktur von Notunterkünften bedeute aber gleichzeitig immer auch potentielle Isolation. Architektur habe daher gerade in dieser Situation die Aufgabe ,Kommunikationsräume zu schaffen, in denen Kommunikation auch zwischen den Kulturen stattfinden könne.

Ernst J. Fuchs

next ENTERprise architect Ernst J. Fuchs im Vorbereitungsprozess

Paul Kranzler

Details über die Immobilien und die jeweiligen Interventionen sollen erst bei der Biennale bekannt gegeben werden, die Delugan-Meissl primär dazu nützen möchte, Aufmerksamkeit für sozial engagierte Architektur zu schaffen. Wie verallgemeinerbar die Ergebnisse sein werden, müsse sich zeigen, aber die experimentellen Ansätze des Projekts haben jedenfalls den Anspruch, gesellschaftliche Prozesse zu starten. Vielleicht folge kein Wohnprojekt, aber ein innovatives Hotelprojekt, das neue Formen des Zusammenlebens ermöglicht, so Elke Delugan-Meissl.

Besprechung in einem Büroraum

Projektbesprechung des Teams von Caramel Architekten und Mitarbeiter/innen der Caritas.

Paul Kranzler

Ob die bei der Biennale gezeigten Projekte das Potential haben, die Routine des geförderten Wohnbaus in Österreich aufzubrechen, um zu beweisen, dass mehr Vielfalt möglich wäre? Ja, zeigt sich Elke Delugan-Meissl überzeugt - und darüber hinaus im städtischen Miteinander. Architektur habe gegenwärtig, durchaus in Tradition des sozialen Wohnbaus im Wien der Zwischenkriegszeit, Funktionen der gemeinschaftlichen Nutzung zu (er)finden, von der Gemeinschaftsküche über Co-Workingspaces bis zu gemeinschaftlich genutzten Werkstätten. Die Projekte sollen jedenfalls nicht mit der Biennale zu Ende gehen: "Wenn gute Erkenntnisse gewonnen werden, muss man sie auch nutzen".