Heiner Müllers "Auftrag" als Zirkusrevue
"Der Auftrag. Erinnerung an eine Revolution" - dieses Drama von Heiner Müller, uraufgeführt 1980, und gleichsam ein Abgesang auf die Revolutionen - wurde gestern Abend als Gastspiel aus Hannover bei den Wiener Festwochen gezeigt. Eine bunte Zirkusrevue mit Livemusik.
26. April 2017, 12:23
Morgenjournal, 24.5.2016
Die deutsche Film- und Theaterschauspielerin Corinna Harfouch ist darin zu sehen, außerdem der deutsche Radiomoderator und Kulturwissenschaftler Jürgen Kuttner, der gemeinsam mit Tom Kühnel auch Regie führt. In Hannover und bei den Ruhrfestspielen hat das Stück für viel Beifall vom Publikum und gemischte Kritiken gesorgt.
Leere Wortehülsen über dem Zirkuszelt
Die Revolution frisst ihre Kinder - in der Wiener Festwochenproduktion tut sie das lautstark und schmatzend. Als bunte Zirkusrevue mit Livemusik hat das Regieduo Kuttner und Kühnel den hochkomplexen Heiner-Müller-Text inszeniert, und so ziemlich alles aufgeboten, was das Theater an Formen und Stilen zu bieten hat: Tanzende Teekannen und Cheerleaderhunde, Maskenspiel und Lamettaglitzer, Zauberspektakel und Boxring, und Filmmotive wie "Vom Winde verweht".
"Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit" prangen als leere Wortehülsen über dem Zirkuszelt. Diese Werte, so der Inhalt von Heiner Müllers Stück, sollen in die entfernte Kolonie hinausgetragen werden. Und so erhalten drei Abgesandte der französischen Revolution den Auftrag auf der Karibikinsel Jamaika einen Sklavenaufstand anzuzetteln. Doch die Revolution ist vorbei, bevor sie beginnt: Napoleon ist an die Macht gekommen, der Auftrag hinfällig.
Mehr dazu in
ORF.at - Revolution strandet in der Playbackshow
Heiner Müller sei der beste Sprecher seiner Texte, weil er nicht so tue, als ob er sie verstünde, hat Regisseur Jürgen Kuttner einmal gesagt - und lässt deshalb den Autor selbst zu Wort kommen: Dieser liest den Stücktext - in einer alten Aufnahme -, die Schauspieler machen synchron die Mundbewegungen dazu.
Harfouch begeistert das Publikum
Corinna Harfouch, einst Heiner Müllers Lady Macbeth an der Volksbühne, ist als weißer Clown Debuisson die Hauptfigur der Geschichte, ein Gutsbesitzersohn, der die Ideale verrät und die Utopien begräbt. Fragil und dominant - begeistert sie das Publikum, sei es mit ihrem leicht sächselnden Monolog des Mannes im Fahrstuhl ,- eine Art Traumsequenz, die Heiner Müller eingebaut hat - oder in den intensiven filmischen Nahaufnahmen.
Am Ende wird sie den Revolutionsführern Marx, Lenin, Che Guevara oder Rosa Luxemburg die tödlichen Zyankalikapseln verabreichen. Wohin sind unsere Utopien verschwunden? Wann haben wir uns damit abgefunden in einer ungerechten Welt zu leben - unter der Herrschaft einer neoliberalen Ideologie, in der sich alles rechnen muss? Fragen wie diese schlummern unter der Opulenz der Bilder. Und ob der Schlussapplaus nun den Botschaften oder der Verpackung gilt, lässt sich so genau nicht sagen.
Service
Wiener Festwochen - Der Auftrag. Erinnerungen an eine Revolution