Die Freilassung von Nadeschda Sawtschenko

Russland hat mit der Freilassung der ukrainischen Kampfpilotin Nadeschda Sawtschenko nach zwei Jahre langer Gefangenschaft und trotz der Verurteilung zu 22 Jahren Lagerhaft die eigene Bevölkerung überrascht: Sawtschenko wurde in einem Schauprozess als fanatische Russland-Hasserin und brutale Mörderin dargestellt. Wie russische Medien und Politologen jetzt den Austausch für zwei russische Soldaten darstellen, interpretieren und erklären.

Morgenjournal, 28.5.2016

Aus Moskau,

Es war ein ungleicher Tausch: Russland lässt die wohl prominenteste ukrainische Kämpferin, eine gefeierte Nationalheldin frei - und erhält im Gegenzug zwei Soldaten, von denen die meisten Russen noch nie etwas gehört haben.

Was die Wirkung nach außen betrifft, den PR-Effekt, hat Russland auf der ganzen Linie verloren, meint Dmitri Drise, Kommentator beim Radiosender "Kommersant FM". Ganz anders hingegen die Bewertung des Gefangenaustauschs in den großen, vom Kreml kontrollierten Fersehsendern.

Die Familien jener beiden Fersehreporter, deren Tod laut der russischen Version der Ereignisse vor 2 Jahren Nadeschda Sawtschenko zu verantworten hat, hätten selbst um die Begnadigung Sawtschenkos gebeten, erfahren die Seher, und dieser Bitte sei Präsident Putin dann nachgekommen.

Die Familien der Mordopfer bitten also um Gnade für die Mörderin? Eine recht unglaubwürdige Geschichte, heißt es bei einer Diskussionsrunde beim unabhängigen Radiosender Echo Moskwy - aber es ist eine Geschichte, mit der der Kreml begründen kann, warum eine Frau, die gerade noch als fanatische, blutrünstige, unmenschliche Russen-Hasserin und Mörderin dargestellt wurde, nun plötzlich auf freien Fuß gesetzt wird, ein Geschichte überdies, die Russland moralisch in besten Licht erscheinen lässt.

Es war dies eine Entscheidung, die vor allem aus Gründen des Humanismus erforderlich war, meint dann auch Wladimir Putin. Die Mehrheit der Bevölkerung war allerdings stets gegen einen Austausch der ukrainischen Kampfpilotin. Warum hat sich dann Putin, der ja oft auf Umfragen hört, dennoch dazu durchgerungen?

Sawtschenko sei dem Kreml innenpolitisch nicht mehr nützlich gewesen, der Propaganda-Effekt des Gerichtsprozesses gegen sie sei bereits voll ausgekostet gewesen, meint die Politologin Tatjana Stanowaja, und außenpolitisch sei Sawtschenko zunehmend zur Last für Putin geworden: keinen westlichen Politiker oder Diplomaten habe er mehr treffen können, ohne auf die inhaftierte Pilotin angesprochen zu werden. Sawtschnkos Freilassung also ein Signal des guten Willens an den Westen? Putin erwartet sicher eine Gegenleistung, meint dazu der Politologe Stanislaw Belkowski gegenüber dem Radiosender Kommersant FM.

Es ist klar, dass es da nicht nur um den Austausch einer Person mit ukrainischem Pass gegen 2 Personen mit russischem Pass gegangen ist. Es gibt da noch irgendeinen Preis, und um den ist es bei dem nächtlichen Telefongespräch der Staatschefs Russlands, der Ukraine, Frankreichs und Deutschlands am Dienstag gegangen. Entweder betrifft das russische Wünsche bei der Kontrolle über Donezk und Lugansk, oder Russland bekommt da noch ein süßes Zuckerl, wenn nächsten Monat über die Sanktionen diskutiert wird.

Die Zeitung Wedemosti ist da nicht ganz so optimistisch: Die Freilassung Sawtschenkos sei nur ein kleiner Schritt nach vorn für den Minsker Ukraine-Friedensplan, eine Lockerung der Sanktionen sei daher nicht im Sommer, sondern frühestens 2017 realistisch.