Leben, lieben und arbeiten in Europa

In seinem Dokumentarfilm "Europe, she loves" der Schweizer Filmemacher Jan Gassmann vier junge Paare - alle um die 30 - durch ihren Alltag in vier europäischen Städten: In Tallin und Dublin, in Thessaloniki und in Sevilla.

Morgenjournal, 13.6.2016

Jobsuche und Sex, die Bewerbung für einen Studienplatz, das Hoffen auf Vertragsverlängerung. Der Alltag zwischen Drogensucht und Straßenmusik bei den einen, die Gefühls- und Organisationsachterbahn der Patchwork-Familie bei den anderen. Und was alle Paare dabei eint, ist das Hintergrundrauschen in den Nachrichten - über Massenproteste, Finanzkrise, Jugendarbeitslosigkeit und Flüchtlingstragödien.

Über weite Strecken wähnt man sich dabei in einem Spiel- und nicht in einem Dokumentarfilm. Die Protagonisten agieren vor der Kamera fast wie Schauspieler, in der Offenheit und Selbstverständlichkeit, mit der sie Gassmann und der Kamera begegnen, wenn sie selbst in den intimsten Momenten, unter der Dusche oder beim Sex gefilmt werden.

Es ist das Porträt einer Generation, die über die letzten Jahre mit unzähligen Generationenzuschreibungen konfrontiert war. Von der verlorenen Generation, oder der Generation Praktikum war da die Rede - wobei zugleich immer betont wurde, dass ihr alle Türen offen stehen würden. Versprechungen, die in Gassmanns Film allzu oft auf dem Arbeitsamt enden. Der Jurist arbeitet als Pizzalieferant, der Designer als Staplerfahrer.

"Europe, she loves" ist dann aber auch das Porträt einer Generation, für die ein Europa ohne Grenzen selbstverständlich ist, für die Grenzkontrollen nur blasse Kindheitserinnerungen sind. Und vielleicht auch als Sehnsuchtsort für den 31-jährigen Schweizer Gassmann, zeichnet er in seinem Film ein Bild, in dem zwischen allen offensichtlichen Problemen und Bruchlinien doch der Gedanke eines vereinten Europa hochgehalten wird. Ein Optimismus, nicht offensiv ausgestellt, sondern fast beiläufig - aus dem Selbstverständnis einer Generation heraus - formuliert.