Reif für die Insel
Schon gehört?
Manche zeigten sich pikiert und rümpften die Nase. Denn was Ö1, dieser Hort der Hochkultur, da vorhatte, schien das schiere Gegenteil von Burgtheater, Konzerthaus oder Musikverein zu bedeuten. Vor 21 Jahren, im Juni 1995, schlug Ö1 zum ersten Mal sein "Kulturzelt" auf der Wiener Donauinsel auf.
8. April 2017, 21:58
Inmitten von Döner- und Würstelbuden, am Schnittpunkt plärrender E- und wummernder Bassgitarren, traf man vorwiegend auf ein jüngeres Publikum, das seinen Bierdurst aus den allgegenwärtigen Plastikbechern löschte. Wer sich von der nächstgelegenen U-Bahn-Station mit dem oder gegen den Menschenstrom bis zum Ö1 Kulturzelt durchkämpfen wollte, der durfte unter einer Phobie unter keinen Umständen leiden: der Agoraphobie, der Angst vor großen Menschenmengen. Ö1 befand sich damals im Umbruch. Ziel war, sich musikalisch zu öffnen ohne das Stammpublikum zu vergraulen. Die Spielräume eroberten sich ihr Publikum, die Klassik dominierte zwar nach wie vor, allmählich fand aber auch die relevante Populärmusik Eingang ins Programm. Parallel dazu mussten auch neue Schauplätze erschlossen werden. Wenn manche Menschen, so die Überlegung der damaligen Ö1 Führung, schon nicht zur Kunst kommen wollen, dann muss die Kunst eben zu den Menschen kommen. Und beim traditionellen Donauinselfest gibt es viele davon. Sehr viele sogar.
Es lag auf der Hand, dass das Publikum des Donauinselfestes mit fein ziselierten Lyrikdarbietungen und Konzerten für Harfe und Blockflöte eher nicht angesprochen werden konnte. Kräftigere Reize mussten her: Kabarett und Weltmusik, Kleinkunst und die gerade aufblühende neue Volxmusik. Das allererste Programm bestritten daher auch der stimmgewaltige Schauspieler und Kabarettist Herwig Seeböck, das Comedy-Duo Steinböck & Rudle, die steirische Band Broadlahn und die Wiener Tschuschenkapelle.
Heute, 21 Jahre später, rümpft niemand mehr die Nase, wenn Ö1 sein Kulturzelt auf der Donauinsel errichtet. Hochkultur und Populärkultur schließen sich nicht mehr gegenseitig aus, sondern ergänzen und befruchten einander. Ö1 wird dieses Mal knapp zwölf Stunden live von der Donauinsel senden.
Falls Sie in der Gegend sind und das Donauinselfest noch nie besucht haben – probieren Sie es einfach einmal. Im Regelfall meint es selbst der Wettergott gut mit uns. Er wird, so dürfen wir annehmen, seine Gründe haben.
Findet zumindest
Ihr
Peter Klein
Ö1 Programmchef