Schwerpunkt: Ingeborg Bachmann

"Es kommen härtere Tage" - dieses Zitat von Ingeborg Bachmann ist der Titel einer Diskussion morgen im Radiokulturhaus. Sie ist der Auftakt zu einem Ö1-Schwerpunkt zum Geburtstag von Ingeborg Bachmann, der sich am 25. Juni zum 90. Mal jährt.

Morgenjournal, 15.6.2016

Wer war Ingeborg Bachmann? Bis dato ist das Bild der Dichterin von Mythen umrankt, sagt der Salzburger Germanist Hans Höller, der sich seit mehr als zwei Jahrzehnten mit ihrem Werk beschäftigt und derzeit an einer großen Bachmann-Werkausgabe arbeitet. Und kaum eine andere Autorin der Nachkriegszeit war so hartnäckigen Projektionen ausgesetzt bis hin zu diversen biografischen "Enthüllungen".

Angrenzen an andere Kulturen

Ingeborg Bachmann war 27, als ihr erster Gedichtband "Die gestundete Zeit" erschien, als sie den Preis der Gruppe 47 erhielt, als ein großes Porträt von ihr das "Spiegel"-Cover zierte und sie zum Star wurde, zur öffentlichen Figur. Vor allem die politische Dimension ihres Werkes sei lange Zeit übersehen worden, sagt Hans Höller. "Auch das Verhältnis zur anderen Sprache, dieses Angrenzen an andere Sprachen kommt - meines Erachtens - aus der Wunde der erlebten Vertreibung und intendierten Vernichtung der Slowenen. Dieses emphatische 'Ich grenz' an alles immer mehr'", so der Wissenschaftler.

Heute zählen das Leben und das Werk der Dichterin zu den ausführlich erforschten und interpretierten Kapiteln der österreichischen Literaturgeschichte. Und noch immer gibt es neue Facetten zu entdecken, betont Hans Höller: Das habe damit zu tun, dass der Nachlass nun für eine neue Werkausgabe zur Gänze zur Verfügung steht.

Die neue Werkausgabe

Dieser Nachlass - ca. mehr als 10.000 Blätter - liegt seit 1979 an der Österreichischen Nationalbibliothek. Ein großer Teil, darunter auch die private Korrespondenz, ist bis 2025 gesperrt, jetzt haben die Erben den Herausgebern der Werkausgabe aber Einsicht gestattet. Im November werden die ersten beiden Bände erscheinen - unter anderem Bachmanns Traumnotate, Briefentwürfe und Aufzeichnungen aus der Zeit ihrer Krankheit.

"Aber es geht hier nicht um etwas sensationell Persönliches, sondern darum, dass Schreiben mit dem Leben zu tun hat. Wie man sich wieder derrappelt, ein paar traumanische Sätze hinschreibt, die verändert und am Ende steht etwas da, was sich gewissermaßen verbrüdert oder verbündet mit den vielen Stimmen der Literatur", sagt Hans Höller, der Herausgeber der Bachmann Werkausgabe, die - angelegt auf 30 Bände - ab Herbst im Suhrkamp Verlag erscheinen wird.

Service

Im Literaturmuseum in Wien findet heute eine Podiumsdiskussion zum Leben und Werk der Dichterin statt: mit der Filmemacherin Ruth Beckermann, den Autorinnen Maja Haderlap und Sabine Gruber und mit dem Salzburger Germanisten Hans Höller.

Ein ausführliches Gespräch mit Hans Höller hören Sie heute im "Kulturjournal" um 17.09 Uhr.

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