Zeichnungen von Jim Dine in der Albertina

Jim Dine gilt als einer der großen Veteranen der amerikanischen Pop-Art - eine Einordnung, gegen die sich der 81-jährige Künstler stets gewehrt hat. In der Wiener Albertina eröffnet morgen eine Ausstellung mit Dines Selbstporträts aus allen Schaffensperioden.

Alter Reitersmann, 2008

Alter Reitersmann, 2008 (Ausschnitt)

JIM DINE/ARS, NY/ALBERTINA WIEN

Mittagsjournal, 22.6.2016

"Jim Dine. I never look away" ist der Titel der Schau, in der sich der Künstler als emotional ausdrucksstarker Zeichner präsentiert. Anlass der Ausstellung ist die großzügige Schenkung von 230 Selbstporträts, die Dine der Albertina überlassen hat.

Verbindung zwischen Herz und Hand

Seine jüngsten Selbstporträts zeigen Jim Dine als alten Mann mit durchdringendem Blick - mal gütig, mal streng, mal traurig. Aber immer irgendwie gewaltig mit seinem schneeweißen Bart, der aus dem Papier gekratzt und geschabt auf diesen Zeichnungen ein dramatisches Eigenleben führt. Als Symbol für das Leuchten der Weisheit des Alters will Jim Dine seinen Bart aber nicht sehen. Er spricht ganz pragmatisch von Depigmentierung.

Trotzdem erzählen diese Selbstporträts von einem tiefen Inneren, von psychischer Komplexität. Von der Zufriedenheit eines Mannes mit den Errungenschaften seines Alters. Er wisse mehr, er zeichne besser, er verstehe die Dinge besser, sagt der Künstler. "Ich weiß, was ich von meiner Kunst will – ich vertraue der Verbindung zwischen Herz und Hand."

Zusammenarbeit mit Claes Oldenburg

Die Tiefe der Motive dieser Zeichnungen und Druckgrafiken macht schnell klar, warum sich Jim Dine trotz seiner Zusammenarbeit mit Claes Oldenburg in den 1960er Jahren, nicht als Pop-Artist fühlte: "Pop beschäftigt sich mit äußeren Dingen. Ich beschäftige mich mit inneren", so Dine. Zwar habe er mit den Pop-Art-Künstlern Performances gemacht, sei aber immer schon ein "romantischer Expressionist" gewesen.

Romantisch muten etwa die endlosen Serien von Herzen an, die Jim Dine seit den 60er Jahren gemalt hat. Seine Serien von Hämmern, Zangen und Sägen hingegen, die er im elterlichen Haushaltswarengeschäft studiert hatte und die eine Zeit lang seine Lieblingssujets waren, erklären, warum er von vielen für einen Pop-Art-Künstler gehalten wurde.

Porträts von großer Virtuosität

Diese Ausstellung mit Selbstporträts von großer Virtuosität zeigt: Obwohl die Geisteswissenschaft immer wieder behauptet, der Poststrukturalismus habe vor vierzig Jahren das Subjekt und das Selbst abgeschafft, ist das Selbstbildnis heute das wohl faszinierendste Bildgenre überhaupt. Auch wenn die Millionen von Selfies in den sozialen Netzwerken oft Selbstbildnisse ohne Selbst zu sein scheinen - im Unterschied zu den Zeichnungen von Jim Dine.

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Albertina - Jim Dine. I never look away

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