Schatzkanzler spricht von "Brexit"-Notfallplan
London droht der Verlust von zehntausend Arbeitsplätzen am Finanzmarkt - nach dem "Brexit"-Votum. Schatzkanzler George Osborne aber hat heute vor dem Börse-Wochenauftakt gemeint, die britischen Behörden hätten einen robusten Notfallplan. Die britische Wirtschaft sei stark genug. Unterdessen rebellieren weite Teile der Labour Party gegen ihren Chef Jeremy Corbyn und geben ihm die Mitschuld am Ausgang des Refendums.
27. April 2017, 15:40
Mittagsjournal, 27.6.2016
Turbulente Zeiten
Nach dem Brexit-Votum der Briten vergangene Woche ist das Vereinigte Königreich noch weit von Business as usual entfernt. Sowohl wirtschaftlich als auch politisch stehen turbulente Zeiten an. Das britische Pfund war am Freitag nach Bekanntwerden der ersten Abstimmungsergebnisse innerhalb weniger Stunden eingebrochen und zeitweise auf den tiefsten Stand seit 31 Jahren zurückgefallen. Am Montag verlor das Pfund Sterling erneut: Es gab um mehr als zwei Prozent gegenüber dem Dollar nach. Aktienkurse fielen weltweit, die Leitbörsen in Europa haben sich heute im Frühhandel noch ohne klare Richtung gezeigt. Der britische Finanzminister George Osborne rechnet nach dem Brexit-Votum mit anhaltenden Turbulenzen an den Finanzmärkten. Sein Land könne die schwierige Herausforderung aber meistern, sagte Osborne am Vormittag in einer Rede um die Märkte zu beruhigen. Politisch gesehen stehen die Zeichen ebenfalls auf Sturm. Die regierende konservative Partei sucht einen neuen Premierminister und die Labour Opposition befindet sich in einem Selbstauflösungs-Prozess nachdem 12 ranghohe Parteifunktionäre Labour Chef Jeremy Corbyn die Gefolgschaft am Wochenende aufkündigten. Corbyn weigert sich nach wie vor zurückzutreten.
Robuster Notfallplan
Der britische Schatzkanzler George Osborne glänzte seit der Brexit Entscheidung durch Abwesenheit, vermutlich um u.a. zu klären ob er in Zukunft selbst noch einen Job im Kabinett hat. Heute trat er vor Öffnung der Märkte vor die Fernsehkameras und versicherte, die britischen Behörden hätten einen robusten Notfallplan in petto. Man sei auf dieses unerwartete Ergebnis vorbereitet.
Einfach werde es nicht, räumte Osborne ein, er sieht Investitionen in Gefahr weil Entscheidungen bis nach dem EU Austritt aufgeschoben würden. Die britische Wirtschaft sei aber stark genug sich dieser Herausforderung zu stellen und anders als in der Finanzkrise vor 8 Jahren sei das britische Finanzsystem in der Lage eventuelle Schocks besser abzufedern anstatt die Situation noch schlimmer zu machen.
Das Ja zum Brexit sorgt auch für politische Krisen, nicht nur in der konservativen britischen Regierungspartei ist ein Machtkampf ausgebrochen, die oppositionelle Labour rebelliert offen gegen ihren Chef Jeremy Corbyn. Sie werfen ihm Führungsschwäche vor und geben ihm durch sein lahmes Auftreten die Mitschuld am verlorenen EU Referendum. Der politische Kommentator Janan Ganesh von der Financial Times sagt dieser zeitgleiche Zusammenbruch beider Großparteien im Land sei beispiellos und die Konsequenzen seien bereits jetzt spürbar.
Jeremy Corbyn hat über Nacht sein gesamtes Führungsteam verloren, weigert sich aber zurückzutreten. Er genießt nach wie vor enorme Beliebtheit unter den ultra-linken Labour Mitgliedern, die ihn zum Parteichef gewählt hatten. Corbyn hat bereits angekündigt, er würde nach einem Misstrauensvotum erneut zur Wahl des Parteichefs antreten. In der Labour Partei herrscht aber Uneinigkeit, ob das rechtlich möglich ist. Die Rebellen versuchen schnell zu handeln um zu verhindern, dass Corbyn es erneut auf die Abstimmungsliste schafft, sollte der Parteivorstand die Regeln noch schnell ändern, sagt Helen Lewis, stellvertretende Chefredakteurin des New Statesman.
Weniger öffentlich aber genauso erbittert, formiert sich bei den Konservativen das Pro EU Lager um einen Premierminister Boris Johnson mit einem Gegenkandidaten zu verhindern. Innenministerin Theresa May ist im Gespräch gegen Boris in den Ring zu steigen. Kein Wunder, dass bei all diesen politischen Schachzügen keine Zeit ist, das EU Austrittsgesuch in Brüssel einzureichen.