Bericht von Jack London

Die Reise mit der Snark

Als siebenjährige Weltumseglung war die Reise auf der Snark geplant, zu der Jack London mit seiner Frau Charmian, dem jungen Abenteurer Martin Johnson und einer wechselnde Crew von San Francisco aus aufbrach. Durch unfähige Kapitäne, betrügerische Geldverwalter und Krankheiten wurde sie zum Desaster. Der autobiografische Bericht liegt nun in einer neuen Übersetzung von Alexander Pechmann vor.

Die Besatzung der Snark

Mare Verlag

Service

Jack London, "Die Reise mit der Snark", aus dem Englischen von Alexander Pechmann, Mare Verlag
Originaltitel: "The Cruise of the Snark"

Jack London
london.sonoma.edu

Getrieben von der Suche nach Glück

Von Freundschaften, die tragisch enden und von der inneren Unruhe, die das Leben in einem Übermaß bestimmt, so dass Glück immer nur etwas ist, das man vor Augen hat und doch nie zu fassen bekommt - davon erzählt Jack London in seinen Romanen und Erzählungen. Das hatte viel mit seinem Leben zu tun. London wurde 1876 in San Francisco geboren, war ein uneheliches Kind und als solches von früh an auf sich selbst gestellt. Das ging auf Kosten von Erziehung und Bildung. London war ein Straßenkind, kam durch Gelegenheitsarbeit zu etwas Geld, besuchte aber auch immer öffentliche Bibliotheken und betrieb so eine eher anarchische Art der Selbsterziehung.

1897, da war der große Goldrausch längst vorüber, versuchte er sich als Goldgräber in Alaska. Dann probierte er es mit Landwirtschaft. Er heuerte auf Schiffen an und kam ziemlich weit herum. Vor allem aber schrieb er auf, was er sah, nichts beschönigend, nichts romantisierend. So wurde London zu einem der bekanntesten rasenden Reporter der USA. Der manische Schreiber wollte aber auch Geschichten von Menschen erzählen, die sich, so wie er selbst, zu bewähren haben, die Getrieben sind von der Suche nach Glück, ohne dass sie sagen könnten, wie sie sich dieses Glück vorstellen. In Jack Londons Romanen und Erzählungen ist stets der Weg das Ziel. Seine berühmtesten Romane sind jene, die in Alaska spielen: "Ruf der Wildnis", "Wolfsblut", "Lockruf des Goldes", aber auch die Seefahrergeschichte "Der Seewolf".

Das unstete Leben hatte allerdings auch seinen Preis: Jack London war Alkoholiker. Über seine Sucht hat London 1913 ein Buch veröffentlicht: "König Alkohol". Im selben Jahr erschienen der Roman "Das Mondtal" sowie der autobiografische Bericht "Die Reise mit der Snark". London starb 1916 im Alter von vierzig Jahren vermutlich in Folge seiner Alkoholsucht.

Snark - eine erschriebene Jacht

Die nach einem Nonsens-Gedicht von Lewis Carroll benannte 13 Meter lange Segeljacht, die der Autor selbst entworfen hatte, war nur zwei Jahre lang unterwegs. Dennoch begeisterte sich das belastbare Ehepaar unerschütterlich für sein Abenteuer, das es von San Francisco nach Hawaii, zu den Marquesas, über Tahiti, die Gesellschaftsinseln, Samoa und Fidschi zu den Neuen Hebriden und den Salomonen führte.

Schon der Bau des Schiffs verschlang Unsummen, die sich London mit eiserner Disziplin und seinen obligaten 1000 Wörtern pro Tag erschreiben musste. Roscoe Eames, Ehemann von Charmians Tante Ninetta, sollte die Handwerker beaufsichtigen, trieb sich aber lieber in den Hafenkneipen herum. Am 23. April 1907 - mit fast siebenmonatiger Verspätung und viel Spott in den örtlichen Gazetten - stach man endlich in See.

Seekranke Jünglinge

Nach einem holprigen Beginn der Reise wendet sich auf Hawaii alles zum Guten: Man findet ehrliche Handwerker und die Snark wird wieder flott gemacht, wenngleich man in den Zeitungen bereits von ihrem Untergang lesen kann. Die Londons reiten auf schwindelerregenden Pfaden den mächtigen Haleakala hinauf, besuchen ein Pferderennen in der Leprakolonie auf Molokai, deren ungerechtfertigt üblen Ruf Jack London mit einem Artikel zu korrigieren versucht, und erproben sich im Wellenreiten, dem hawaiianischen Nationalsport, der gerade von den ersten Weißen entdeckt wird.

Von Literatur inspiriert

Die Reise mit der Snark ist in vielerlei Hinsicht eine literarische, es entsteht nicht nur viel Literatur auf ihr, sie ist auch von Literatur inspiriert - vor allem von Herman Melvilles schwärmerischem Südseeroman "Typee", der nach einem Tal auf der Marquesas-Insel Nuku Hiva benannt ist. Dort will Melville ein rituelles kannibalisches Mahl beobachtet haben, das dort ansässige Volk beschreibt er als stolz und kriegerisch. Auch soll ein Mann dort leben, der behauptet Captain Cooks großen Zeh verspeist zu haben. Als Jack London dieses Tal hinauf reitet, trifft er nur mehr auf die traurigen Reste des von Lepra und Elephantiasis geplagten und von der Tuberkulose weitgehend dahingerafften Stammes.

Arzt und Kapitän London

Auch Tahiti erweist sich nicht als Paradies, sondern als heruntergekommener Stützpunkt englischer und amerikanischer Walfänger, eine Blechhüttensiedlung voller Herumtreiber und Krimineller. Auf den Fidschi-Inseln entlässt Jack London den letzten einer Reihe von unfähigen Kapitänen der Snark. London, der schon als 15-Jähriger mit eigenem Boot als Austernpirat in der Bucht von San Francisco unterwegs war und sich später u.a. auch als Matrose verdingte, bringt sich selbst das Navigieren bei und übernimmt die Kapitänsaufgaben. Dazu gehört auch, sich um die Gesundheit seiner Crew zu kümmern, eine Pflicht, die mitunter auf die jeweilige Landbevölkerung ausgeweitet wird.

"Über Zahnmedizin wusste ich nichts"

Jack Londons zweifelhafte Fähigkeiten als Amateurarzt werden noch vor größere Herausforderungen gestellt. Während des Aufenthalts auf den Neuen Hebriden beginnen die Probleme, auf den Salomonen hat sich die Snark dann endgültig in ein schwimmendes Lazarett verwandelt, kein Besatzungsmitglied ist mehr gesund. Malaria und andere Fieberkrankheiten gefährden das Leben der Crew. Zudem zeigt sich die melanesische Bevölkerung als feindselig. Kein Wunder, macht sie doch mit den Weißen vorwiegend die Erfahrung des "Blackbirdings", der Zwangsverschiffung und -rekrutierung zur Sklavenarbeit auf den Plantagen.

Auch Jack London erkrankt schwer, starke Schwellungen an Armen und Beinen machen ihm die Arbeit an Bord unmöglich, trotzdem segelt er noch bis zum Lord-Howe-Atoll nördlich der Salomonen. Am 4. November 1908 geben die Londons schließlich auf und nehmen einen Dampfer Richtung Sidney, wo Jack mehrere Wochen im Spital verbringt. Die Snark wird versteigert und kehrt ausgerechnet als "Blackbirder" zu den Salomonen zurück.

Künstlerisch ist die Reise außerordentlich fruchtbar für den sich selbst eher als Arbeiter denn als Literaten verstehenden Vielschreiber. An Bord entstanden nicht nur das besagte Reisebuch, sondern auch die Romane "Adventure", "Martin Eden", der Alaska-Roman "Burning Daylight" sowie drei Bände mit Erzählungen und einer mit Essays.