Songwriter William Fitzsimmons im Porträt

Seine Auftritte werden gern als Therapiesitzungen in musikalischem Gewand bezeichnet. William Fitzsimmons sorgt mit seinen filigranen Folksongs bei seinen Fans für Gänsehaut und tiefe Emotionen. Erst vor kurzem brachte der gelernte Psychotherapeut den zweiten Teil seines "Pittsburgh"-Doppelalbums heraus. Darauf beschäftigt er sich einmal mehr mit seiner Familiengeschichte und seinen inneren Dämonen.

Mann mit Bart und Kahlkopf

Fero Zboray

Kulturjournal, 20.7.2016

Moderner Troubadour mit Bart

Rein optisch kann man William Fitzsimmons keinen Vorwurf machen. Der Mann macht alles, um dem aktuellen Coolness-Bild zu entsprechen. Müsste man den vielgeschmähten urbanen Hipster definieren - Fitzsimmons käme dem Ideal recht nahe: Glatzkopf, wilder Rauschebart, enge Jeans, Holzfällerhemd, Tattoos. Musikalisch pfeift Fitzsimmons dagegen recht konsequent auf angesagte Töne. Auf ironisch gebrochene Retro-Sounds oder Computer-erzeugte Klangfantasien. Es ist eine Einsicht die Fitzsimmons‘ Musik prägt: jeder Mensch leidet.

In seinen Songs hat sich Fitzsimmons einen Rückzugsort geschaffen, der fast schon reaktionär antimodern wirkt. Doch mit einer Verweigerungspose oder inszeniertem Anti-Heldentum hat das wenig zu tun. Fitzsimmons wirkt zumindest so, als kämen seine Songs tatsächlich aus seinem Innersten, ohne industriellen Firlefanz, der sie schmückt und verpackt.

Der Stille verpflichtet

Fitzsimmons gibt eine bemerkenswerte Figur ab. Wie der mythische Hobo-Landstreicher, der neben den Gleisen der kommerziellen Popwelt sein Feuerchen anmacht und den kommerziellen Hit-Zügen beim Vorbeidonnern zusieht - froh, dass er und sein Leben der Langsamkeit und der Stille verpflichtet sind.

Geboren wurde Fitzsimmons in Pittsburgh als Sohn blinder Eltern. Dieses Leben war nicht leicht, doch es schärfte die Beobachtungsgabe des Songwriters. Dass er dazu noch Psychologie studierte, als Therapeut praktizierte, aber auch selbst die inneren Verwerfungen durch Depressionen kennt, wirkt beinahe wie eine zu perfekte Biografie für einen sensiblen Singer-Songwriter.

Bekannt wurde Fitzsimmons durch TV-Serien, die Momente der emotionalen Tiefe gern mit seinen Songs veredelten, um jedem klarzumachen, dass eine Szene bewegend war. Fitzsimmons war anfangs froh und dankbar für diese Möglichkeit. Ausverkauf war zu diesem Zeitpunkt eine nachgereihte Sorge. Er hatte kein Label, keine Wohnung und war pleite.

"Unwissenheit war meine Rettung"

Auf einem Computer, der permanent abstürzte und mit Equipment, das ihn nicht mehr als 200 Dollar gekostet hat, nimmt Fitzsimmons seine ersten Lieder auf. Seine Unwissenheit wäre seine Rettung gewesen, meint er. Und zitiert Orson Welles - ohne sich mit diesem Genie vergleichen zu wollen. Welles hätte Citizen Kane auch nur machen können, weil er damals ein Kino-Dilettant war, der die Regeln des Genres nicht kannte. Bei ihm war es ähnlich, so Fitzsimmons.

Das aufkommende Internet und vor allem die damals für Künstler wichtige Seite MySpace waren Fitzsimmons erste Bühne. Am Anfang meldete sich pro Tag ein Fan per MySpace - und Fitzsimmons brannte eine CD und schickte sie per Post, überglücklich, dass seine Musik jemandem gefiel. Über Nacht wurde er dann jedoch zum Internet-Hit, ohne je erfahren zu haben, wie das genau vor sich ging.

Kunst und Leiden

Gerade wenn es um Singer-Songwriter geht, schwingt oft die Frage mit, ob wahre Kunst nur durch tiefes Leiden entstehen könne. Fitzsimmons wird nachdenklich. Früher habe er gewusst, wie er diese Frage beantwortet, heute nicht mehr. Nein, kein Künstler müsse bluten, um gut zu sein, erklärt er dann. Nick Drake, einer der Helden von Fitzsimmons, wäre ein solcher verklärter Künstler. Doch hätte Drake sechs Monate lang Antidepressiva genommen und wäre er in Therapie gegangen - er hätte immer noch ausgezeichnete Songs geschrieben, fröhlicher vielleicht, aber immer noch gut.

Er selbst habe vor acht Jahren den Versuch aufgegeben, glücklich zu werden. Warum, das will Fitzsimmons nicht sagen. Nur so viel: Das Leben wäre hart. Viele würden das verleugnen, dabei wäre die Anerkennung dieser Tatsache der einzige Weg. Genau das mache er mit seiner Musik und genau deswegen würden seine Fans seine Musik auch mögen.

"Songs können helfen, aber nicht heilen"

Überhaupt ist Fitzsimmons skeptisch was die Heilkraft von Musik angeht. Seine eigenen Songs werden oft als therapeutisch beschrieben - dabei könne Musik nur etwas aufzeigen, dass ohnehin in einem selbst wäre. Songs könnten niemanden heilen, helfen ja, heilen nein.

Fitzsimmons schafft es, dass sogar gestandene Zeitungskritiker ihn in ihren Konzert-Besprechungen häufig nur beim Vornamen nennen. Immer schwingt da diese Intimität mit, das Gefühl, dass man sich vertraut ist. Schwer vorstellbar, über Bob Dylan konsequent als Bob zu schreiben. Fitzsimmons zeigt diese Tatsache, dass er richtig liegt - eine Plattform möchte er sein - eine Plattform, um sich schwierigen Gefühlen stellen zu können.