TR: Haftbefehle gegen Journalisten

In der Türkei erfasst die Säuberungswelle nach dem niedergeschlagenen Putsch, der schon tausende öffentlich Bedienstete zum Opfer gefallen sind, jetzt, wie viele erwartet hatten, auch die Medien. Gegen 42 Journalisten wurden Haftbefehle erlassen.

Mittagsjournal, 25.7.2016

Aus Istanbul,

In der Türkei ist das Netzwerk des Predigers Fettulah Gülen weiter im Visier der Behörden. Die Staatsanwaltschaft in Istanbul hat heute die Festnahme von 42 Journalisten angeordnet. Unter ihnen ist auch eine bekannte Regierungskritikerin. Sie alle sollen in Verbindung mit Medien stehen, die dem Netzwerk des Predigers Fetullah Gülens zugerechnet werden, der offiziell als Drahtzieher des Putsches gilt. Seit dem Putschversuch sind offiziellen Angaben zufolge mehr als 13.000 Verdächtige festgenommen worden, rund 6000 sitzen noch in Untersuchungshaft.

Regierungsfreundliche Medien haben am Vormittag Fotos und die Namen der Journalisten ins Netz gestellt, die Anhänger der Gülen-Bewegung sein sollen. Für sie alle hat die Staatsanwaltschaft in Istanbul die Festnahme angeordnet.

Unter ihnen ist auch die prominente Regierungskritikerin Nazli Illicak, die allerdings nicht immer eine Kritikerin der AKP und des Präsidenten war. Ganz im Gegenteil: Illicak hat den Kurs Erdogans jahrelang in ihren Beiträgen vehement verteidigt. Verteidigt hat sie auch die Massenprozesse gegen Journalisten, Armeeangehörige und andere Personen, denen man vor Jahren zu Unrecht vorgeworfen hat, einen Staatsstreich gegen Erdogan und die gewählte Regierung zu planen. Die meisten Urteile wurden mittlerweile aufgehoben und gelten als Schandfleck der türkischen Justiz. Die Wandlung der Journalistin geht zeitlich Hand in Hand mit dem Beginn des persönlichen Kriegs zwischen Erdogan und dem Prediger Gülen. Beide hatten zuvor jahrelang an einem Strang gezogen mit dem Ziel der Re-Islamisierung der Türkei und der Schwächung der säkular-kemalistischen Institutionen.

Den Journalisten, die heute zur Festnahme ausgeschrieben sind, wird ihre Nähe zu Medien vorgeworfen, die dem Netzwerk von Fetullah Gülen zugerechnet werden. Medien, die in den vergangenen zweieinhalb Jahren starken Repressionen ausgesetzt waren, die aber viele Jahre zuvor regierungsfreundlich berichtet hatten. Und die sich von Kritikern, die selbst Gegner der Regierung und des Präsidenten sind, den Vorwurf gefallen lassen müssen, einfach nur die Seiten gewechselt zu haben. Aus politischen Gründen.

Neben den Journalisten sind bei Razzien in Istanbul auch Dutzende Hochschullehrer festgenommen worden. Präsident Erdogan hatte zuvor per Dekret hunderte Schulen, Stiftungen, Studentenwohnheime und Krankenhäuser schließen lassen, die ebenfalls als Gülen-nahe gelten. Es besteht kein Zweifel mehr: die Gülen-Bewegung, jahrelang ein politischer Weggefährte der AKP und Präsident Erdogans, soll vollständig vernichtet werden.

Die kritische Öffentlichkeit, Anhänger der sozialdemokratischen Opposition fürchten, dass auch viele Unschuldige zu Opfern werden. In einer staatlichen Kampagne, deren Ende nicht ansatzweise absehbar ist.