65daysofstatic vertont Computerspiel
65daysofstatic heißt die Band, die versucht, die aktuelle Übergangsphase in eine digitalisierte und automatisierte Zukunft akustisch einzufangen. Passenderweise tut sie das, indem sie ein Computerspiel vertont. "Music for an Infinite Universe" heißt der Soundtrack zum virtuellen Weltraumabenteuer "No Man's Sky".
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 6.8.2016
Computerspiele und Popmusik duellieren sich schon länger um die Aufmerksamkeit der Jugend. Am 12. August kommt das laut "Wired"-Magazin größte jemals programmierte Computerspiel der Welt auf den Markt: "No Man's Sky" besteht aus nicht weniger als 18 Trillionen prozedural generierter Planeten. "Prozedural generiert" heißt: Daten werden algorithmisch und nicht von Hand erzeugt. Der Computer bastelt sich also seine eigene Welt. Unvorhersehbar und riesig. Eine Besonderheit an "No Man's Sky": der Soundtrack kommt von der englischen Band 65daysofstatic (65dos) - so eng verwoben waren die Welten von Pop und Games wohl noch nie.
Pop soll unterhalten. Pop soll Träume und Hoffnungen in musikalische Bonbons verpacken. Heute geschieht das gerne im Retro-Chic. Manchmal gibt es ihn aber noch - den Blick nach vorn.
Musik wie für den Maschinenraum einer Serverfarm
Nervös ventilierende Sounds, flirrende Musik wie für den Maschinenraum einer mit klinischem Licht ausgeleuchteten Serverfarm. Wenn Kraftwerk in den 1970er Jahren die Dynamisierung des Fortschritts vertonten, dann verhält sich das gegenüber 65dos wie ein alter schwarz-weiß Schinken gegenüber einem Thriller in HD - so messerscharf wie unerbittlich. Und gerade dadurch eine angemessene musikalische Illustration der Gegenwart.
Schon im Mai 2011 wurden 65dos von einem Festival in Glasgow eingeladen, einen 70er Jahre Science-Fiction-Film live zu vertonen. "Lautlos im Weltraum" - der erste Schritt, um ihren Cinemascope Sound auch tatsächlich auf die Leinwand zu bringen. Die Vertonung des Computerspiels "No Man's Sky" wäre für seine schräge kleine Band eine großartige Entdeckungsreise, meint Joe Shrewsbury.
Exzessives Wuchern durch Algorithmen
Ein Jahr lang hat die Band an klassisch analoger Musik gefeilt. Ein weiteres verwendeten sie ausschließlich dafür, diese Musik durch Algorithmen exzessiv wuchern zu lassen. Jede Reise eines Spielers durch "No Man's Sky" sollte eine möglichst individuelle Klangwelt haben. Für ihn galt es, nicht die Ästhetik des Spiels zu vertonen, sondern die schiere Dimension musikalisch zu untermalen.
65dos komponieren wabernde Klangwolken, die das Organische im Maschinellen suchen - und finden. Die Band ist so etwas wie ein Interface, eine Schnittstelle zwischen einer computerbasierten Unterhaltungsindustrie und einem Relikt aus dem 20. Jahrhundert namens Rock 'n' Roll. Ein musikalisch-virtueller Cyborg.
Punk, Dance und Elektronik
Shrewsbury sieht "No Man's Sky" auch als einen Schritt weg von der Statik bisheriger Musikveröffentlichungen. So wie das Spiel Updates erhalten wird, werden auch 65dos neue Töne liefern - er nennt das eine andauernde Beziehung.
Rock, Dance und Elektronik - es verwundert wenig, dass gerade New Order eine jener Bands war, die 65dos prägten. Damals war es noch verpönt, den ästhetisch puren Punk mit Dance und Elektronik zu vermischen. Heute passt diese Konfiguration, um dem Sound der Gegenwart nachzuspüren.