USA: Mit Waffennarren am Schießstand
Mehr als 300 Millionen Waffen kursieren in den USA - etwa genauso viele wie Einwohner. Und in 45 der 50 US-Bundesstaaten ist es sogar erlaubt, seine privaten Pistolen und Gewehre offen am Körper zu tragen. Auch in Texas, dem Herzen der amerikanischen Waffenlobby. Dort gehören "Guns" genauso zum Alltag wie das Steak und der Cowboyhut.
8. April 2017, 21:58
Wer nicht schießen kann, der wird in Texas skeptisch betrachtet - diese Erfahrung hat ORF-Korrespondentin Verena Gleitsmann am eigenen Leib gemacht - und deshalb einen Schießstand besucht.
Mittagsjournal, 6.8.2016
„Achtung“, sagt Rick Buongiovanni, als er die dicke Stahltür in die Schießhalle öffnet – „jetzt wird es laut“.
Es ist Freitagabend im "Athena Gun Club" in Houston, Texas. Rund 20 Hobby-Schützen stehen dicht nebeneinander gedrängt. Mit Pistolen und Sturmgewehren zielen sie auf die menschlichen Umrisse auf einem Papier-Plakat am anderen Ende der Halle - wer den Oberkörper trifft, bekommt die meisten Punkte. Der Geruch von Schießpulver hängt schwer in der Luft, der Boden ist übersäht mit leeren Patronenhülsen.
Rick Buongiovanni, der Manager, hält eine österreichische Glock 17 in der Hand - den Verkaufsschlager hier. Durch den ohrenbetäubenden Lärm hinweg erteilt er Anweisungen: „Locker aus der Hüfte, gestreckte Arme, die Hand ganz ruhig am Abzug.“
Schießen, das gehört zu Texas wie der Cowboyhut und das Steak, lacht Santiago. Der ehemalige Soldat arbeitet seit sechs Jahren als Schießlehrer - er selbst besitzt 50 Feuerwaffen. „Alle in meiner Familie haben welche“, sagt er. „Meine Mutter, meine Oma, mein Bruder, ich. Wir wachsen damit auf. Meine Tochter ist 6 Jahre alt und ihr habe ich auch gerade ihre erste eigene Pistole gekauft.“ Es sei wichtig, dass sie früh mit Waffen umgehen lerne, erklärt Santiago. „Denn dann würden auch keine Unfälle passieren.“
Die Statistik sagt allerdings etwas anderes. Allein im vergangenen Jahr ist es in den USA laut dem Gun Violence Archive zu mehr als 50.000 Zwischenfällen mit Schusswaffen gekommen. 13.000 Menschen kamen dabei ums Leben.
Doch statt strenger, werden die Waffengesetze in vielen Bundesstaaten immer liberaler. Hier in Texas darf seit Anfang des Jahres jeder, der eine Lizenz besitzt, seine Waffe sogar offen am Körper tragen. „Ein Fortschritt, meint Rick Buongiovanni. Er hält nichts von schärferen Gesetzen, Verboten - oder gar "waffenfreien" Zonen. „Das ist wie wenn man vor einer Schafherde ein Schild aufstellt, auf dem steht: keine Wölfe. Der Wolf interessiert sich herzlich wenig für ein Schild, und die Schafe sind ungeschützt. Nein, man braucht Schäferhunde.“
Stand your ground - verteidige dich, wenn es darauf ankommt. Das sei einer der Grundpfeiler der amerikanischen Identität, erklärt Rick Buongiovanni. Und das gelte heute, in Zeiten von Amokläufen und Terrorangriffen, genauso wie vor 200 Jahren. „Wenn wir guten und ehrlichen Menschen erlauben, eine Waffe zu tragen, dann können die etwas gegen die Bösen tun. Ein Terroranschlag wie in Paris wäre nicht passiert, wenn Leute wie wir dort gewesen wären, um zurückzuschießen.“
Sicherheit also... das ist das Argument der meisten Waffenbesitzer, hier in Houston, auch wenn manchen dann doch ein bisschen mulmig dabei zumute ist. „Ich glaube, es ist wichtig, zu lernen, wie man sich verteidigt“, sagt Andwell Williams. Er ist mit seinem 14-jährigen Neffen Jauroa gekommen - für beide ist es das erste Mal bei einem Schießstand. „Es passiert so viel. Und seit es das neue Gesetz gibt, habe ich noch mehr Angst. Überall sehe ich Leute mit Waffen. Im Supermarkt, in den Schulen, sogar im Zoo. Es ist wie im Wilden Westen.“
Ein Grund mehr für eine Waffe, lacht Williams aber dann. Denn ein echter Cowboy, der kann schießen.