Koalitionsstreit um Doppelpass in Deutschland

Derzeit haben in Deutschland geborene Kinder aus Zuwanderer-Familien die Möglichkeit, Doppelstaatsbürger zu sein, also zwei Pässe zu behalten. Das nützen vor allem Deutsch-Türken. Und gerade deshalb hat die große Pro-Erdogan-Demonstration in Köln so viel Kritik ausgelöst. Weil da Leute mit deutschem Pass Erdogan als ihren Präsidenten bejubelt haben. Weg mit dem Doppelpass - verlangen nun vor allem Politiker der konservativen Union.

Morgenjournal, 11.8.2016

Seit Dezember 2014 gibt es in Deutschland die Möglichkeit von zwei Staatsbürgerschaften. Kinder ausländischer Eltern bekommen mit der Geburt zwei Pässe. Wenn diese Kinder nach 1990 auf die Welt gekommen sind, dann mindestens 8 Jahre in Deutschland gelebt oder mindestens 6 Jahre eine deutsche Schule besucht haben, können sie beide Pässe auch als Erwachsene behalten. Vor allem in Deutschland lebende Türken machen von dieser Möglichkeit Gebrauch, der CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach spricht vielen Parteikollegen aus der Seele: „Wer die Haltung einnimmt, mein Staatsoberhaupt heißt Erdogan, der kann das Leben ja in der Türkei führen.“

Angesichts der zunehmenden Spannungen zwischen Berlin und Ankara wollen die Länderinnenminister der Unionsparteien den sogenannten Doppelpass jetzt wieder abschaffen - und sie erhalten Rückendeckung von einem CDU-Regierungsmitglied, dem Staatssekretär im Finanzministerium, Jens Spahn: „Wir hatten bis vor einiger Zeit die Regelung, dass man sich bis 23 entscheiden musste, ob man den deutschen oder den türkischen Pass behält. Es ist viel leichter geworden, beide zu behalten. Ich finde, wir sollten uns überlegen, ob wir das nicht rückgängig machen sollten.“

Zurück zur alten Regelung, als sich die Besitzer von zwei Staatsbürgerschaften mit 23 für eine entscheiden mussten? Nicht mit den Sozialdemokraten, stellt Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel umgehend klar: „Wenn die CDU/CSU die doppelte Staatsbürgerschaft bekämpft, dann ist das ein Erfolg für Erdogan. Dann hat er es geschafft, seinen Konflikt nach Deutschland zu tragen.“

Die Doppelpass-Regelung gilt als eines der wichtigsten Reformprojekte der rot-grünen Koalition unter dem früheren SPD-Kanzler Gerhard Schröder. Für die Sozialdemokraten ein Meilenstein im Staatsbürgerschaftsrecht und der Integrationspolitik. Kein Wunder also, dass die SPD ihre Zustimmung zur amtierenden großen Koalition mit den Unionsparteien auch mit der Doppelstaatsbürgerschaft verknüpft hat. Und so sieht sich die stellvertretende Sprecherin von Kanzlerin Merkel - Ulrike Demmer - auch gleich bemüßigt zu versichern, dass keine Änderungen bei der Doppelstaatsbürgerschaft geplant sind - in der Hoffnung, dass die von den Unions-Länderinnenministern angezündete Lunte sich nicht zum Berliner Koalitionsbrand ausweitet.