Gartenbuch von Rudolf Borchardt

Der leidenschaftliche Gärtner

Der Philologe und Archäologe Rudolf Borchardt (1877 bis 1945) war wie seine Kollegen Hermann Hesse und Wilhelm Busch ein leidenschaftlicher Gärtner. Sein posthum erschienenes Werk verbindet eine Kulturgeschichte des Gartens mit der philosophischen Reflexion von Gartenarbeit. Das lange vergriffene Buch liegt nun in einer bibliophilen Taschenbuchausgabe wieder vor.

Pflanzen, Buchcover "Der leidenschaftliche Gärtner"

Matthes & Seitz Verlag

Borchardt verdiente seinen Lebensunterhalt als Autor und Publizist, mit Essays und Vorträgen, eher schlecht als recht, immer wieder in der Abhängigkeit von wohlhabenden Gönnern. Den Ausgleich zur geistigen Arbeit fand er in der ursprünglichsten Form manueller Tätigkeit, im Kontakt mit dem Erdreich. Er verlegte seinen Wohnsitz ab 1921 nach Italien, wo er als Untermieter die Gartenanlagen toskanischer Landsitze bewirtschaftete.

Als Schriftsteller blieb Borchardt einem elitären und traditionsbewussten Kulturbegriff verhaftet, der literarischen Moderne stand er Zeit seines Lebens zurückhaltend gegenüber. Von der Düsternis seiner Zeit blieb Borchardt, der jüdischer Herkunft war, zuletzt nicht verschont: 1944 wurde er gemeinsam mit seiner Frau in Italien von der SS verhaftet und nach Innsbruck gebracht. Zwar gelang es ihm, sich in Tirol zu verstecken, er überlebte aber nur einige Monate und starb Anfang 1945 an Herzversagen.

In "Der leidenschaftliche Gärtner" durchforstet Borchardt die wilde und die gezähmte Natur, die innerhalb der Mauern eines Gartens zu finden ist und betrachtet sie im Spiegel der Jahrhunderte. In der zweiten Hälfte seines Buchs gibt er seine Erfahrungen als Gärtner in einer praktischen Anleitung weiter. Hier wird Gartenarbeit stilvollendet beschrieben, sodass die Lektüre darüber, wann gepflanzt und wie richtig gegossen wird, zum sprachlichen Hochgenuss gerät. Das Buch schließt mit einem lexikalischen Anhang, in dem Borchardt seine praktischen Kenntnisse als Pflanzenliebhaber weitergibt, und zwar in Form eines Überblicks über jene Gartenpflanzen, die während des Krieges aus dem Handel verschwunden waren.

Auf Deutsch erschien "Der leidenschaftliche Gärtner" 1951: Das Manuskript wurde aus seinem Nachlass rekonstruiert. Die Genese dieses Buchs und sein Weg ans Licht der Öffentlichkeit ist gleichsam ein Metapher auf den Lebenskünstler Borchardt, der als Schriftsteller und Publizist nie auf der großen Bühne stand, aber sein Dasein der Welt des Worts verschrieben und sein Leben als Kunstwerk zwischen Geist und Natur gelebt hatte.

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Rudolf Borchardt, "Der leidenschaftliche Gärtner", Matthes & Seitz Verlag