"Tschick": Fatih Akins Bestsellerverfilmung
Wolfgang Herrndorfs Jugendroman "Tschick" begeisterte vor einigen Jahren Millionen Leserinnen und Leser. Er wurde mehrfach ausgezeichnet und in 24 Sprachen übersetzt. Der deutsche Regisseur Fatih Akin bringt die abenteuerliche Freundschaft zwischen dem Spross aus bürgerlichem Haus und dem verwahrlosten russischen Immigranten nun auf die Leinwand.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 12.9.2016
Ausgerechnet neben dem schüchternen, schmächtigen und unauffälligen 14-jährigen Außenseiter Maik Klingenberg soll der neue Mitschüler aus Russland Platz nehmen. Sein Spitzname ist "Tschick", seine Schuhe werden mehr schlecht als recht mit Klebeband zusammengehalten und in seiner Tasche findet sich stets eine Flasche Vodka. Am ersten Ferientag parkt er plötzlich mit einem alten Lada vor Maiks noblem Haus, um ihn zu einer Spritztour zu überreden.
Temporeiches Teenage-Roadmovie
Die alkoholkranke Mutter ist wieder einmal in der Entzugsklinik, der cholerische Vater mit seiner neuen Flamme angeblich auf Geschäftsreise, also niemand zu Hause, der von Maiks Abwesenheit Notiz nehmen könnte. Und so nimmt das Teenage-Roadmovie temporeich und wortgewandt seinen Lauf.
Regiearbeit als Übersetzungsarbeit
Regisseur Fatih Akin sah seine Aufgabe bei diesem Filmprojekt vor allem in der Übersetzertätigkeit, wie er sagt: "Ich dachte, wenn ich die Melancholie, den Witz, die Ernsthaftigkeit, das Abenteuer und das Skurrile des Romans irgendwie einfangen kann, dann hab ich den Film." Er habe daher nicht so sehr an gewisse Szenen gedacht, die er in den Film übernehmen wolle, so Akin, sondern an das Gefühl, das der Roman beim Lesen in ihm ausgelöst habe. Das habe er in Bilder zu übersetzen versucht.
Pointierte Inszenierung
Und diese Übersetzung ist ihm gelungen. Mit viel Witz und Esprit schafft er es, die enorme Sogwirkung, die der Roman vom ersten Satz weg entfaltet, auf die Leinwand zu übertragen. Mittels subjektiver Kamera und Voice-over bringt er auch die charakteristische Ich-Erzählung in den Film ein. Herrndorfs scharfsinnige Dialoge und die vielen unverhofften Begegnungen entlang der Fahrt setzt Akin durch originelle Bilder und Schnitte wirkungsvoll in Szene. Großartig die beiden jungen Hauptdarsteller Tristan Göbel und Anand Batbileg, aber auch das restliche Ensemble ist bis zur kleinsten Rolle gut besetzt, die Musik spielt eine tragende Rolle.
Ende mit Optimismus
Auch wenn die beiden das angepeilte Ziel, Tschicks Großvater in der Walachei zu besuchen, klar verfehlen - am Ende wird dieser Sommer aus zwei unsicher durchs Leben taumelnden Jugendlichen reife Persönlichkeiten machen, und der Film das Kinopublikum mit einer gehörigen Portion Optimismus zurücklassen. So schlecht ist die Welt gar nicht, nicht einmal für schüchterne Teenage-Außenseiter.