Von Molly Brodak

Als ich 13 war, überfiel mein Vater seine erste Bank

Wie kommt es dazu, dass ein Familienvater zum Bankräuber wird? Welche Entwicklungen führen dazu, dass ein Mann jahrelang ein Doppelleben führt? Und wie empfindet man als seine Tochter? Diese Fragen stellt die Amerikanerin Molly Brodak in ihrem gerade erschienenen Buch.

"Eine kluge, melancholische Annäherung"
Timon Mikocki

Service

Molly Brodak, "Als ich 13 war, überfiel mein Vater seine erste Bank", aus dem Englischen von Barbara Schaden, Nagel & Kimche Verlag
Originaltitel: "Bandit. A Memoir"

Die 1980 in Michigan geborene Autorin hat bisher Lyrik veröffentlicht. Mit dem ersten Prosawerk macht sie einen mutigen Schritt zu einem privaten Thema. "Als ich 13 war, überfiel mein Vater seine erste Bank" beginnt mit der Vorwegnahme der harten Fakten: Der Vater Joseph Brodak überfällt im Sommer 1993 zehn Banken, ohne dass seine Familie davon viel mitbekommt. Nach einer Haftstrafe von sieben Jahren kehrt er aus dem Gefängnis zurück. Er führt zwischenzeitlich ein geregeltes Leben, bis er 2008 rückfällig wird. Wieder landet er im Gefängnis, diesmal für zehn Jahre. Aus der zeitlichen und räumlichen Distanz berichtet die erwachsene Tochter über ihr Leben mit und ohne den Vater, über ein ambivalentes Verhältnis, das Liebe vermissen ließ und von Lügen und Geheimnissen dominiert war.

Fast beiläufig liefert Brodak mit ihren Nachforschungen auch die Geschichte einer polnischen Einwanderfamilie in der proletarischen Gesellschaft des Mittleren Westens. Da ist die Geburt des Vaters in einem Zwangsarbeitslager der Nazis, die Auswanderung der Familie in die USA, sein Aufwachsen in Armut, die zusammenbrechende Autoindustrie in Detroit, der Job ihres Vaters bei General Motors und seine Wett- und Spielsucht, die mehrmaligen Wohnortwechsel, ein Hirntumor, den Molly durchstehen musste.

Literarisch relevant machen das Buch vor allem die poetologischen Einschübe, in denen die Autorin darüber reflektiert, ob es überhaupt zumutbar oder bedeutend für andere sein könne, entmutigende Geschichten wie ihre, ohne Hoffnung auf ein glückliches Ende zu hören. Leid habe keinen Sinn, so folgert sie in den einsichtigsten Passagen, aber die Niederschrift biete, wohlwissend, dass sie ihren Vater damit vollends von ihr abwende, die Möglichkeit der Entwicklung und helfe auch anderen bei ihren Bewältigungen.