Von Greta Taubert
Im Club der Zeitmillionäre
Im Jahr 2001 fand ein amerikanischer Neurowissenschaftler eine Gehirnregion, die nur dann aktiv wird, wenn man nichts tut. Beim Ausruhen, Tagträumen, Zeitverschwenden ist das sogenannte Leerlauf-Netzwerk hochaktiv. Allerdings ist der Müßiggang in unserer Leistungsgesellschaft so gut wie ausgestorben. Doch irgendwo, mitten unter uns, soll es sie angeblich noch geben, jene, die in Zeit baden wie Dagobert Duck in seinen Talern. Greta Taubert hat sich auf die Suche gemacht. "Im Club der Zeitmillionäre" heißt ihr Buch.
8. April 2017, 21:58
Kontext, 16.9.2016
Hanna Ronzheimer
Eine junge Journalistin ist genervt von der Getriebenheit ihres Alltags. Immerzu rennt sie der Zeit hinterher. Beruflich geht sie an ihre Leistungsgrenzen, aufgeputscht vom Erfolg. Aber das Leben fühlt sich schon mit 30 immer öfter leer an. Im Produktivitätswahn der Gegenwart ist Leistung die neue Religion. Ohne Vergangenheit und ohne Zukunft. Es geht ums Funktionieren im Jetzt – für das Morgen, das Alter, das Leben als Ganzes haben wir keinen Platz mehr. Greta Taubert will raus aus dem Hamsterrad des Müssens und rein ins Karussell des Könnens. Denn klar ist: wenn Zeit in Geld bemessen wird, ist Zeitverschwenden der wahre Luxus.
Die Zeit, beschließt Greta Taubert, soll fortan nicht mehr Ressource zum Geldverdienen sein, sondern eine Währung für sich. Sie will Zeitmillionärin werden. Als pragmatisch veranlagte Journalistin bereitet Taubert ihre Suche nach der verlorenen Zeit gut vor. Marcel Proust musste für sein monumentales Werk im letzten Jahrhundert lange nach einem Verlag suchen. Greta Taubert lässt sich vor ihrer Reise ins Nichts einen Vorschuss vom Verlag auszahlen, den sie fortan als eine abgewandelte Form bedingungslosen Grundeinkommens betrachtet. Dann beginnt ein Roadtrip durch die Welt der Kapitalismusverweigerer und Zeitverschwender.
"Im Club der Zeitmillionäre" ist ein Streifzug durch die Welt jener, die etwas anderes als das herkömmliche Gesellschaftsmodell wagen wollen. Es geht weniger um den leidenschaftlichen Müßiggang, sondern mehr darum, die Zeit wieder mit Sinn zu füllen und die Zeit-Geld Verbindung im Kopf aufzulösen. Inwieweit diese Bewegungen wirklich aus ihrem kapitalistischen Kontext heraustreten können, bleibt offen. Ein Buch lang hat Greta Taubert jedenfalls im Karussell des Könnens gesessen, es sehr genossen – letztendlich damit aber auch nur das kapitalistische Hamsterrad der Verlagsmaschinerie am Laufen gehalten.
Service
Greta Taubert, "Im Club der Zeitmillionäre", Eichborn-Verlag