Amokfahrt: Wenig Schmerzensgeld
In Graz geht heute der Prozess gegen den Amokfahrer weiter, der im Vorjahr mit einem Geländewagen durch die Innenstadt gerast ist. Vier Menschen sind gestorben, über 100 wurden verletzt. Für die Opfer geht es auch um Schmerzensgeld. Weil es so viele Opfer sind dürfte der Haftungsrahmen der Versicherungen nicht reichen.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 21.9.2016
Aus Graz,
So einen Fall haben weder die Versicherung noch die Opferanwälte in Graz bisher erlebt. Laut Gesetz haftet die Wiener Städtische in diesem Fall für Personenschäden bis zu maximal 5,8 Millionen Euro – und zwar weil sie die Kfz-Haftpflichtversicherung des Fahrzeughalters des grünen Geländewagens war, das ist der Vater des Amokfahrers.
Aber dieser gesetzliche finanzielle Rahmen dürfte nicht reichen, sagt Opferanwalt Bernhard Lehofer am Rande des Strafprozesses: „Momentan schaut´s so aus, dass die Versicherung kommuniziert, dass die Leute um 10 Prozent umfallen der ihnen zustehenden Ansprüche umfallen werden, 10 bis 15 Prozent. Also derzeit ist das in einem verkraftbaren Bereich. Das ergibt sich halt so aus der Rechtslage, dann kann man von der Versicherung nicht verlangen, dass sie mehr zahlt, dürfte sie ja gar nicht.“
Allerdings holen sich aus diesem Rahmen von 5,8 Millionen Euro auch die Krankenversicherungen Geld zurück von der Kfz-Haftpflichtversicherung – nämlich für die Spitalsaufenthalte der Opfer. Anwalt Gunther Ledolter, der rund 50 Betroffene vertritt, sagt: „Nach meinen letzten Informationen ist das ein sehr relevanter Anteil, allenfalls mehr als die Hälfte - für die Regressforderungen der Sozialversicherungen im Vergleich zu Schadenersatzzahlungen für die Opfer.“
Allerdings sagt Ledolter auch, bisher sei nicht gekürzt worden bei jenen von ihm vertretenen Opfern, die leichte und mittelschwere Verletzungen erlitten haben und wo es bereits eine Einigung mit der Versicherung gibt. Nur komme halt dazu, dass die Gerichte knausrig und Schmerzensgeldzahlungen in Österreich überhaupt niedrig seien – im internationalen Vergleich – so Ledolter: „In Österreich sind die Schmerzensgeldzahlungen im absolut untersten Drittel. Wenn man berücksichtigt, wie schlecht es manchen Opfern über ein Jahr gegangen ist. Über 50.000 Euro sind schon mit schwersten Verletzungen verbunden.“
Und Bernhard Lehofer, der die Eltern des bei der Amokfahrt getöteten 4-jährigen Buben vertritt meint zu Zahlungen für seelisches Leid: „Da gibt´s Sachverständige, die schauen sich an, ob das psychische Leid Krankheitswert erreicht hat. Aber im Verhältnis zu dem was Geschädigte eines Todesfalles ein ganzes Leben lang zu leiden haben, sind das Bagatellen. Und wenn man das vergleicht mit einem Knochenbruch, der in ein paar Wochen verheilt, dann stimmt da die Relation nicht. Aber ich bin nicht der oberste Gerichtshof.“
Auch Anwalt Ledolter wünscht sich eine Anpassung und eine Erhöhung der Schmerzensgeldzahlungen in Österreich, einen Trend in diese Richtung bei psychischem Leid gebe es schon, sagt Lehofer. Von der Wiener Städtischen Versicherung heißt es, man bemühe sich, rasch Lösungen zu finden, werde kein bereits ausgezahltes Geld zurückfordern und wolle möglichst nicht den Opfern sondern den Krankenversicherungen weniger zahlen. Und jeder Betroffene habe zumindest schon etwas Geld bekommen.
Und die Opferanwältin Susanna Ecker, die jene junge Bosnierin vertritt, die schwerste bleibende Verletzungen erlitten und ihren Mann verloren hat, sagt – egal wie hoch der Betrag ist: „Wenn wir sie fragen, „reicht das?“, wird sie sagen, ich hätte mir ein anderes Leben vorgestellt und das kann mir sowieso niemand kaufen. Also moralisch werden wir nie das Auslangen finden.“ Aber sie, so die Anwältin, bemühe sich um eine Lösung , die der Mandantin das Leben finanziell möglichst erleichtert.