Gert Voss wäre 75

Der Jahrhundertschauspieler

Er war einer der herausragenden Schauspieler seiner Generation. Gestern wäre Gert Voss 75 Jahre alt geworden.

"Kein Ende" stand auf der letzten Seite seiner zum 70. Geburtstag erschienenen Autobiografie "Ich bin kein Papagei". Und so war der Burgtheater-Star Gert Voss bis zum Schluss auf der Bühne zu sehen, zuletzt etwa in Matthias Hartmanns "Onkel Wanja"-Inszenierung oder in Luc Bondys "Tartuffe" bei dessen Abschied von den Wiener Festwochen. Am 14. Juli 2014 starb Gert Voss im Alter von 72 Jahren in Wien.

Gert Voss

Gert Voss bei Aufnahmen im Ö1 Studio im Jahr 2009

(c) ORF

Ich bin kein Papagei

Anlässlich seines 70. Geburtstages im Jahr 2011 hat Gert Voss im Styria-Verlag gemeinsam mit seiner Frau, der Germanistin und Dramaturgin Ursula Voss, unter dem Titel "Ich bin kein Papagei" seine "Theaterreise" herausgebracht, eine berufliche Autobiografie, die den Werdegang des Buben aus Shanghai zum gefeierten Schauspieler dokumentiert. Der Weg war freilich lang und steinig. Ö1 hat diese Autobiografie als dreiteilige CD produziert. Gert Voss las selbst.
"Gert Voss, "Ich bin kein Papagei", ORF-CD767

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Er war eine der herausragenden Schauspieler seiner Generation und dem Burgtheater, an dem er seit Mitte der 1980er Jahre auftrat, tief verbunden. So fand sich Gert Voss, der unter Ex-Burgtheaterdirektor Matthias Hartmann etwa als "Mephisto" in dessen Eröffnungs-Inszenierung "Faust I" brillierte, auch in der Findungskommission für die neue Burgtheaterdirektion. Der gebürtige Deutsche war auch einer jener wenigen Schauspieler, die in der Gunst Thomas Bernhards standen. Dieser verewigte ihn gar in dem Stück "Ritter, Dene, Voss", das 1986 bei den Salzburger Festspielen unter der Regie von Claus Peymann uraufgeführt wurde.

Seit Claus Peymanns Direktionsantritt am Wiener Burgtheater feierte Gert Voss seine Sternstunden fast ausschließlich in Wien: mit "Richard III" (1986), als Shylock in Peter Zadeks legendärem "Kaufmann von Venedig" (1988), "Prospero" im "Sturm" (1988), "Othello" (1990) und als Tschechows "Iwanow" (1990). Dazu kamen in den vergangenen Jahren die großen Altersrollen wie "Lear" unter Luc Bondy (2007), "Wallenstein" unter Thomas Langhoff (2007) und eben Mephisto in "Faust" (2009). In einer Vorstellung der Eröffnungsproduktion von Matthias Hartmanns Direktion stürzte er schwer und zog sich einen komplizierten Beinbuch zu. Er kam jedoch auf die Bühne zurück und glänzte in den vergangenen Jahren neben Tschechows "Onkel Wanja" (2012) in Luc Bondys Festwochen-Inszenierung von Molieres "Tartuffe" (2013).

Gert Voss mit goldener Krone

Gert Voss in der Rolle des "Er, ein alter Schauspieler" während der Fotoprobe von Thomas Bernhards "Einfach kompliziert" im Akademietheater in Wien.

APA/HANS KLAUS TECHT

Thomas Bernhards "Einfach kompliziert", mit dem Voss nach einem zwischenzeitlichen Zerwürfnis seine Zusammenarbeit mit Claus Peymann wieder aufgenommen hatte, lief im Jahr 2011 neben der Burg auch am Berliner Ensemble. "Mir hat das wahnsinnig gut getan, nach so langer Zeit, in der ich ausschließlich in Wien gearbeitet habe, wieder einmal rauszukommen", sagte der Schauspieler damals.

Geboren wurde Gert Voss am 10. Oktober 1941 als Sohn eines deutschen Kaufmanns in Shanghai. 1947 kehrte er mit seinen Eltern nach Hamburg zurück. Nach einem abgebrochenen Studium der Germanistik und Anglistik nahm er in München Schauspielunterricht. Nach einem ersten Engagement am Stadttheater Konstanz wechselte er 1968 an das Staatstheater Braunschweig, nächste Stationen waren das Münchner Residenztheater und das Staatstheater Stuttgart, wo 1974 Peymann Schauspieldirektor wurde.

In Stuttgart ereignete sich bei Proben zu Schillers "Die Räuber" auch jene Episode, die der Autobiografie den Titel gab: Als Peymann Voss bei ihrer ersten gemeinsamen Arbeit eine Szene vorspielte, antwortete dieser: "Ich kann Sie nicht imitieren, Herr Peymann. (...) Ich bin nicht Ihr Papagei!" Der lautstark eskalierende Streit konnte nur durch geschickte Vermittlung von Martin Schwab wieder kalmiert werden und Voss begann - unter anderem als Büchners "Woyzeck", als Kleists Dorfrichter Adam und als Molieres "Tartuffe" - jenen Weg, der ihn zu einem der am meisten gefeierten Bühnenstars der letzten Jahrzehnte machte.

1979 wechselte Voss mit Peymann nach Bochum und verbuchte dort 1982 in "Die Hermannsschlacht" einen sensationellen Erfolg. 1986 brillierte er bei den Salzburger Festspielen als Ludwig in der Komödie "Ritter, Dene, Voss". 1986 ging er mit Peymann nach Wien und wurde mit seinem charakteristischen Sprechduktus und seinem suggestiven Spiel einer der prägenden Schauspieler des Burgtheaters. Neben Peymann waren Peter Zadek und George Tabori seine bevorzugten Regisseure. Ihr Tod war für ihn ein großer Verlust.

Ausflüge von der Burg führten Voss u.a. in das Theater an der Josefstadt, wo er unter Luc Bondy die Titelrolle in Ödön von Horvaths "Figaro lässt sich scheiden" spielte, und 1995 bis 1998 als "Jedermann" zu den Salzburger Festspielen. Für seinen Trigorin in Bondys Tschechow-Inszenierung "Die Möwe" am Akademietheater erhielt Voss im Jahr 2000 den erstmals verliehenen "Nestroy"-Preis als bester Schauspieler. Es folgten zahlreiche weitere Nominierungen.

Doch auch so waren die Auszeichnungen des seit mehr als 45 Jahren mit der Dramaturgin Ursula Voss Verheirateten (die gemeinsame Tochter Grischka wurde ebenfalls Schauspielerin) kaum überschaubar: Die Kainz-Medaille bekam er für "Richard III", 1992 wurde ihm der Kortner-Preis verliehen, seit 1998 trägt er den Berufstitel Kammerschauspieler, 2009 wurde er Ehrenmitglied des Burgtheaters. Sechsmal wurde er in der Kritikerumfrage von "Theater heute" zum "Schauspieler des Jahres" gekürt. Bruno Ganz wollte ihn testamentarisch zum Nachfolger als Träger des renommierten Iffland-Rings bestimmen, der jeweils auf Lebenszeit verliehen wird.

Als er einmal mit Harald Schmidt über seine Karriere plauderte, erhielt der dabei von Andre Heller gedrehte Film "Scheitern, scheitern, besser scheitern!" einen Romy-Fernsehpreis als beste Doku. Herausragend unter seinen erstaunlich wenigen Film- und Fernseharbeiten sind Axel Cortis "Radetzkymarsch" (1993/94) und Paulus Mankers "Der Kopf des Mohren" (1992). 2012 war er noch in der Komödie "Zettl" von Helmut Dietl im Kino zu sehen, zuletzt drehte er unter der Regie von David Schalko an der TV-Serie "Altes Geld".